Genre: Oldschool EBM, Industrial, Synthwave
Release: 2018
Es gibt Projekte die kennt man, es gibt Projekte von denen hat man mal gehört, es gibt Projekte von denen haben andere mal gehört und es gibt Projekte von denen hat noch nie jemand etwas gehört. So ähnlich verhält es sich mit den aus Frankreich stammenden Neurotoxik, welche sich aus den Protagonisten Stéphane B. & Henry B. zusammensetzt. Laut Angaben wurde das Projekt bereits 1990 gegründet, veröffentlicht jedoch erst sage und schreibe 28 Jahre später ihr (gleichnamiges) Debut-Album. Sowohl die Internetpräsenz wie auch ein Aufsuchen der Protagonisten hält sich in Grenzen. Um das Ganze noch mysteriöser zu gestalten wurde Mensch-Maschinen-Musik kommentarlos ein DL-Code zum aktuellen Album zur Verfügung gestellt. Doch das erwartungslose Hineinhören ins gleichnamige Debut-Album wirkte so vielversprechend, dass der Blog sich entschloss das Ganze mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Album beinhaltet 9 Tracks und ist auf Bandcamp verfügbar - viel mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen. Also Anschalten und Zurücklehnen!
Einen Bass-lastigen und Effekt-reichen Einstieg eröffnet zunächst "It's All Change". Oldschool EBM-artige Strukturen und tanzbare Beats in Kombination mit erzählerischen Vocals sorgen für ein recht vertrautes Klangvolumen. Melodische Sequenzüberlagerungen und weitere nette Effektspielereien sorgen dafür, dass dieser Song einen Eindruck hinterlassenden Flow erreicht. Die englische Aussprache ist etwas gewöhnungsbedürftig, das Ganze wirkt jedoch in sich so stimmig, dass man es als wirklich gelungen bezeichnen darf. Während der Break erhält der Hörer zusätzlich noch einige wavige Anteile mit fein abgestimmten Gesängen. Vielversprechender Einstieg!
Eine ordentliche Ladung Oldschool EBM gibt es auch bei "Normalized". Die Bassline liefert einen astreinen Flow, während die Drumstrukturen ebenfalls eine Menge Spaß machen und durch Abwechlungsreichtum brillieren. Die Vocals schwanken zwischen aggressiv gesprochen und angenehm flüsternd, was sich jedoch äußerst gelungen in den Track hinein integriert. Die atmosphärischen Pads zur Mitte hin wissen ebenfalls schnell zu überzeugen. Eine wirklich coole Mixtur an Sound.
Auch bei "Clean And Sterilized" nimmt die äußerst coole Soundvielfalt nicht ab. Hier wird von Beginn an Spannung durch eine treibende Bassline mit angenehmem Timbre-Verhalten erzeugt. Zusätzlich sorgen noch effektreiche Drums und verträumte Leads für eine unter die Haut gehenede, jedoch technoide Atmosphäre. Die Breaks wirken streckenweise etwas schräg, doch irgendwie passen auch diese ganz gut ins Gesamtbild, vor Allem weil die wirklich gelungenen Vocals noch zusätzlich dazu beitragen.
"Upper" beginnt ebenfalls mit spannungstreibender Atmosphäre und besticht durch SciFi-artige Bass-Sequenzen und Soundtrack-reife Streichersamples. Tanzbare Beats und leicht rappende Vocals sind abermals tragendes Element dieses stark an Electro Assassin und frühe FLA erinnernde Tracks. Auch dieser Track liefert eine Club-reife Mixtur unterschiedlicher Klangelemente, die sich vorzugsweise im Oldschool EBM wiederfinden lassen. Man möchte wirklich glauben, dass dieses Album in der elektronischen Blütezeit der 1990er entstanden ist.
Weiter geht es mit einem überaus technoiden und atmosphärischen Track Namens "Xeqt". Sehr Industrial-lastige Klangspielereien mit hoher Experimentierfreude versehen. Nach zwei Minuten des Durchschnaufens geht es jedoch wieder mit vertrauter Bassline und aggressiv-tieftönigen Vocals weiter. Auch dieser Track lässt sich perfekt in jede DJ-Playlist gliedern und als geneigter Hörer muss mittlerweile leider zugeben, dass sich die Tracks doch alle zu stark ähneln. Ein gewisser Überraschungstrack fehlt bis dato noch und wäre eine wilkommene Abwechslung. Dennoch ist auch dieser Song abermals gut produziert und kann sich mehrfach hören lassen!
Atmosphärischer wird es sogleich noch mit "Emergency" und lange nachhallenden Pad-Synths, verstärkt durch seichte Effekte und einer melodischen Sequenz. Hier haben wir ihn endlich, den Track zum Durchschnaufen. Etwas entschleunigender wirken hier die verspielten Drum-Elemente, ebenso wie die klassische TB303-Bassline welche sich gut zu den zischenden Soundelementen ergänzt. Die Vocals sind ebenfalls etwas weicher, was dem Ganzen recht gut tut. Ebenfalls keine schlechte Nummer.
"Torskion" beginnt mit einer ebenfalls vertrauten Oldschool Bassline und eigenartigen Effekt-Elementen, gesprochenen Vocals und eingängiger Rhythmik. Ebenfalls ein Track mit klassischen Soundstrukturen, dessen Abstimmung und Klangfarbe und Tonfolge allerdings nicht ganz so überzeugen kann wie die anfänglichen Tracks.
Nahtlos daran knüpft "Alert" an welcher sich nach einigen anfänglichen Signalen langsam aufbäumt und mit elementaren Spielereien um sich wirft, während die EBM-Bassline immer weiter in den Vordergrund rückt und mit Einstieg der eigentlichen Drum-Strukturen sich abermals ein tanzbarer Song daraus bildet. Auch diese Nummer ist auf seine minimalistische Weise ziemlich cool, auch wenn die anfänglich imposanten Arcade-Synths einen auf Dauer etwas auf den Zeiger gehen können. Ein reiner Instrumental-Track diesmal.
Das Outro bildet dann der etwas seichte und atmosphärische "Good Night In Hospital", der zusätzlich noch durch einige Soundsamples besticht.
Fazit:
Für ein Projekt welches sich 28 Jahre lang Zeit für ein Debut-Album gelassen hat und von dem noch nie jemand etwas gehört hat ist Neurotoxik schon eine ziemlich fette Sache. Freunde, die mit den Oldschool- Klängen aus den späten 1980er & frühen 1990er vertraut sind werden auch dieses Album der französischen Protagonisten ins Herz schließen können. Es handelt sich hierbei wirklich um ein pures Oldschool EBM-Album aus dem Bilderbuch, dessen Release der geneigte Hörer nie auf 2018 schätzen würde. Ein Kritikpunkt wäre jedoch, dass sich die meisten Songs allesamt zu sehr ähneln und klangliche Überraschungen fehlen. Sci-Fi- und Soundtrack-Freunde kommen bei diesen Klängen jedoch ebenfalls voll auf ihre Kosten. Mehr als nur ein Geheimtipp!
Lieblingstrack: Normalized
Bewertung: 9/10
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