Genre: Dark Techno, Industrial
Release: 2018
Homepage: https://www.facebook.com/rhysfulbermusic
Wer den Namen Rhys Fulber hört sollte eigentlich schnell hellhörig werden und auf der Stelle mindestens drei Projekte nennen können in denen einer der Großmeister elektronischer Klänge involviert ist. Am ehesten wird der gute Herr aus Kanada wahrscheinlich noch mit seinem Mitte der 1980er mit Bill Leeb zusammen gegründeten Steckenpferd Front Line Assembly asoziiert. Ebenso war und ist er auch Teil weiterer Projekte wie Delerium, Noise Unit, Intermix & Synaesthesia um nur einige zu nennen. Darüber hinaus ist seine Studio-Zusammenarbeit und Produktionsfertigungskunst für einige der größten amerikanischen Industrial Metal-Formationen wie Fear Factory, Machine Head, Mindless Self Indulgence & Cubanate ebenfalls erwähnenswert. Das Ausnahme-Allroundtalent verzeichnet somit laut Discogs fast 800(!) Credits in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, Stilistik-Bereichen, Genre-Zusammensetzungen und Engagement-Feldern. Dass er auch stark in der Produktion von Solo-Werken ist bewies er bereits seit seinem FLA-Austritt Anfang der 2000er mit dem Projekt Conjure One. Your Dystopia, My Utopia ist das bislang erste Studio-Album, welches unter eigenem Namen auf Adam X's Label Sonic Groove released wurde und beinhaltet neun Tracks in Überlänge. Die Cover-Optik ist erwähnenswerterweise noch recht technoid-atmosphärisch gestaltet. Also Auflegen, Lauscher spitzen und genießen!
Der Track "Cognitivia" macht den Anfang und beginnt bereits breitbandig düster und atmosphärisch. Bass-lastige, schwurbelnde Klänge und Vocal-Samples werden dem Hörer in äußerst feiner Abmischung ins Trommelfell injiziert. Nach kurzer Zeit kommen noch rauhe Drum-Samples, die von einer äußerst penetranten Bassdrum begleitet wird. Einen ordentlichen Atmosphäre-Schub bekommt der Song noch mit Anklingen von Synthflächen und FX-Synths. Freunde von Dive & Blac Kolor kommen schon zu Beginn voll auf Ihre Kosten.
Der zweite Song "Limited Vision" knüpft mit alarmierenden Synth-Flächen und rhythmischen Bässen daran an. Auch hier wird der Track hauptsächlich von Dark Techno-Beats und einer harten Bassdrum begleitet. Die schwurbelnden und verzerrten Synth-Effekte, welche sich sporadisch in den Songverlauf gliedern wirken jedoch recht disharmonisch und streckenweise auch störend auf den Gesamtmix. Im Laufe der Zeit wird der Song hauptsächlich überlagert von weiteren Effekt-Spielereien sowie verqueren Klangverhältnissen. Auf Dauer betrachtet ist das ein wenig zu viel des Guten, auch wenn sich der Song zur Mitte hin nochmals etwas aufbäumt und ein gewisser künstlerischer Wert dahinter unverkennbar vorliegt.
Noch härter wird es sogleich mit "Inhabits Eternity". Hierbei drückt die Bassdrum richtig stark rein, es wird mit Distortions sowie mit verzerrten und disharmonisch rapiden Basslines gearbeitet. Der gesamte Song bekommt auf seine Art einen gewissen Psychedelic/Goa-Einschlag und lässt eine Menge wirrer Klänge ineinander übergehen. Eine absolut unruhige Nummer, die den Hörer streckenweise im Regen stehen lässt. Ebenso werden im Mix immer wieder störende Frequenzen betont was auch einen etwas fragwürdigen Effekt hinterlässt.
Etwas Durschnaufen kann der Hörer endlich daraufhin mit "Creosote". Dabei handelt es sich um eine zunächst recht geradlinige und Oldschool-lastigere Nummer, was in erster Linie an der stilvoll integrierten Bassline und den straighten Drum-Anteilen liegt. Auch hier handelt es sich mehr um einen Dark Techno-Song, wobei die Effekte sowie die einzelnen Flächen-Elemente perfekt ineinander übergehen. "Na bitte, geht doch" kann man sich aus kritischer Perspektive nun denken! Die bis jetzt stärkste Nummer des Albums.
Weiter geht es mit "Anhedonia" und zunächst epochalen, hochtönigen Klangflächen die nach einiger Zeit einen recht spacigen Touch annehmen. Im Fokus stehen dabei die Sample-Vocals und die verträumte Atmosphäre. Technoide Beats, verquere Effekte und weitläufige Sequenzen sind auch hier wieder das tragenede Element dieses Songs.
Äußerst rauh und gedämpft macht "Truncheon" weiter und offenbart eine recht penetrante Haupt-Sequenz, die mit rhythmischen Techno-Beats einher geht und eine ziemlich fette Grundsubstanz offenbart. Ein zusätzliches Gimmick sind dabei die im Hintergrund verhallenden und einsetzenden Effekte. Insgesamt ist dieser Track jedoch recht Tiefenlastig und klassisch strukturiert. Das Rhys vor Allem am Drehen der Filter eine Menge Spaß macht geht hier ebenfalls klar hervor.
Mit passendem Glockenläuten und einigen Samples setzt "My Church" an. Nach kurzer Zeit macht dieser Track musikalisch weiter mit Distortion-lastigen Filter-Sequenzen und zur Abwechslung mal FLA-ähnlicherem Breakbeat. Imposant sind vor Allem die langsam und gemächlich in den Vordergrund driftenden Melodie-Anteile. Diese Nummer offenbart einen hohen künstlerischen Wert und fabelhafte Klangvielfalt, wie man sie vom Künstler eigentlich gewohnt ist. Wahnsinnig schönes Teil!
Mit "The Sick" geht es weiter mit klassischem Techno und einer Drum-Beat fokussierten Richtung. Hier treten sämtliche Melodie- und Effektanteile nur im Hintergrund auf und verharren auf einer ruhigen Klangebene. Zischende Laute hier und da sowie Bass-Synths, die an Violin-Samples erinnern, lassen den Track zu einer gesamtheitlichen Größe entfalten.
Mit dem Titel "You Can Kill Them Or You Can Feed Them" läutet dieses experimentelle Machwerk im wahrsten Sinne sein Ende ein. Zunächst wieder betont Bassdrum-lastige Rhythmik-Sequenzen, die in dem Fall nochmal etwas spielerische Freiheiten erleben und darüber hinaus noch einige klangliche Raffinessen entfalten. Feiner Abschluß!
Fazit:
Das Solo-Album von Rhys Fulber überrascht tatsächlich von Anfang bis Ende. Abermals bekommt der Hörer vom Klangkünstler wieder etwas geliefert, was in der Form von ihm bisher nicht gehört wurde und dennoch eine zeitgemäßge Klangvielfalt offenbart. Der Kanadier beweist mit Your Dystopia, My Utopia dass seinem Schaffen keine Grenzen gesetzt sind und liefert sein erstes Dark Techno-Album mit Allem was dazu gehört ab. Streckenweise sind jedoch einige störende Elemente vorhanden und es fällt einem oft schwer es als ganzheitliches Gesamtbild wahrzunehmen. Zu konfus und zu experimentierfreudig wirken hier einige Passagen, die Drum-Anteile tragen darüber hinaus streckenweise etwas zu dick auf. Nichts desto trotz ist das Album voll im Jahr 2018 angekommen und wird potenziellen Hörern aktueller Dark Techno-Künstler wie Blac Kolor & Rohad Freude bereiten. Der aktuelle Trend liefert tatsächlich mehr instrumentelle Spielereien und weniger Vocal-behaftete Musik.
Lieblingstrack: My Church
Bewertung: 7/10
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