19.06.2018

Visitor – Expat

 
Genre: Oldschool EBM, Coldwave, Darkwave
Release: 2018

Ein noch komplett neues und unbekanntes Projekt stellt das aus Edmonton in Kanada stammende Duo Visitor dar. Dieses setzt sich zusammen aus den Protagonisten Philip Traikovski & Veronica Stefanulk. Ersterer ist nebenher mit seiner Schwester Amanda noch bei der Post-Punk/Goth Rock-Band Blood Bitch aktiv. Das wars auch schon an Informationen, welche sich zu den Personen hinter diesem Projekt entnehmen lassen. Erwähnenswert wäre noch der Release ihres Debut-Albums Expat bei Detriti Records, ein noch sehr junges Label mit äußerst experimentellen Veröffentlichungen. Ebenso experimentell mutet auch die pinke Optik des LP-Covers an. Ob es sich hierbei einfach nur um Mut zum schlechtem Geschmack, wahnsinniger Genialität oder ideenlosem Hi(r)ngeklatsche handelt sei mal dahin gestellt. Nachdem erste Töne jedoch äußerst vertraut wirkten gab es Grund genug den zehn darauf befindlichen Tracks mal ein genaueres Ohr zu schenken.

Die Eröffnung liefert der gleichnamige Album-Song mit weitläufigen Flächen und Oldschool-lastigem Arrangement Dies wird nochmal deutlich in Anbetracht der analogen 1980er Klangelemente ausgehend von verspielten Drum-Loops und technoiden Sequenzen verstärkt. Die leicht nasal klingenden und Megaphon-lastigen Vocals verstärken den Effekt zusätzlich. Tatsächlich bekommt man hier schnell das Gefühl ein Ende 1980er Album im Stile von Schnitt Acht oder A-Split Second zu hören.
Der nächste Song "God Of All Flesh" steht dem in Nichts nach und liefert ebenso eine Clap- wie auch Bassdrum-beseelte rhythmische Oldschool EBM-Nummer mit tonal verspielten Sequenzen und cleanen Vocal-Ansagen. Die Nummer ist fein zusammengestellt und auch hier geht klar hervor, dass hauptsächlich auf analoge Vintage-Synths gesetzt wurde. Auch wenn manches recht roh abgemischt ist, macht vielleicht vor Allem genau dieser Faktor den ganz besonderen Reiz aus. Zeitgemäße, stilistisch ähnliche Künstler wären erwähnenswerterweise noch Mind Teardown & High-Functioning-Flesh.
Etwas düsterer und Drum-lastiger setzt der Bassline-betonte Track "Disseminate" nach und wirkt durch den Kontrast zwischen basslastigen Synth- und Drum-Elementen wie auch hochtönigen Pad- und Leadelementen besonders atmosphärisch. Auch hier gliedern sich Vocals gekonnt ein und sorgen zusätzlich dafür, dass der Song in Anbetracht seiner elementaren Strukturen auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. Schöne Nummer!
Etwas quäckend wirkt dahingegen "Imp" von Anfang an, da die Rechteck-lastigen Sequenzen auf Dauer etwas anstregend wirken und auch die anklingenden Drum-Beats nicht wirklich zu überzeugen wissen. Was Spaß macht sind wiederum die abwechslungsreich gestalteten zusätzlichen Effekt- und nachhallenden Synth-Elemente. Die Drums nehmen hier etwas die Form von "Die Krupps" an. Nichts desto trotz eine der deutlich schwächeren Nummern dieses Albums.
Atmosphärischer setzt "Mechanical Soul" mit einer vor sich hin schwurbelnden Bassline und Ambient-lastigen Flächenelementen, während Glocken-Klänge lange nachhallen. Nach einem Sample fängt der Song langsam an Fahrt aufzunehmen und setzt sich zusammen aus mystischen Pad-Anteilen und rhythmischer Drum- und Bassline. Der Song kommt zwar auch ganz gut ohne den Vocal-Anteil rüber, ist jedoch leider etwas schwach abgemischt.
In der zweiten Hälfte setzt "Labour Of Love" mit dazu passendem Herzschlag-Rhythmus und antreibender Sequenz nach. Der Song bäumt sich über seine Zeit immer weiter auf, was schnell zu überzeugen weiß und anspruchsvolle Klang-Anteile sowohl auf Drum- wie auch auf Synth-Seite beinhaltet. Der Refrain wirkt streckenweise leicht abgehackt, nichts desto trotz handelt es sich dabei um eine wirklich gelungene Nummer.
Simultan dazu macht "Celebrate Death" mit rhythmisch leicht versetzter Bassline und nachklingenden Drum-Anteilen weiter. Der Track ist streckenweise recht experimentell gestaltet und beweist viel Liebe für analoge Klangsynthese und nachdenklichen Vocal-Alüren. Das ist diesmal überaus sauber abgemischt und beinhaltet so einige feine tonale Anteile. Oldschool pur!
"Tombs" beginnt zunächst recht zögerlich und kommt streckenweise nicht ganz in die Gänge. Die Rhythmik erscheint hier streckenweise sogar etwas Hiphop-lastig, während die Sequenzen den Hörer verwirrt zurück lassen. Richtig Fahrt nimmt der Song erst mit Anbeginn einer tiefenlastigen Bassline und melodiösen Glockenspielen. Zischende Laute und knirschende Robot-Vocals sorgen dafür, dass das Ganze dann noch technoider klingt. Nicht schlecht, wenn auch etwas disharmonisch.
Mit dem deutschen Titel "Gebrochen!" und langsamen Beats sowie atmosphärischen Flächen-Sounds geht es dumpf klingend dem Ende entgegen. Dabei handelt es sich abermals um einen in sich selbst aufbauenden Song, welcher über den weiteren Verlauf immer rhythmischer werdende Züge annimmt und auch seine experimentelle Arrangement-Beschaffenheit höchst vertraut wirkt.
Den Abschluß macht mit Track Nummer zehn "Landing", dann wieder eine Nummer mit recht verstörend wirkenden Melodie-Einlagen die zwischen Piano-Klängen und synthetischen Leads schwanken. Die Rhythmik ist hierbei ebenfalls äußerst verspielt, doch so ganz schafft es dieser Song nicht den Hörer zu erreichen.

Fazit:
Das Debut-Album des kanadischen Duos Visitor ist Vieles, doch eines ganz sicher nicht: Modern. Das komplette Album orientiert sich stark an die Ende 1980er/Anfang 1990er eingesetzte Vintage-Klangsynthese und mich würde es auch nicht wundern, wenn die Protagonisten eben jene Hardware-Synths für Ihre Musikerzeugnis verwendeten. Die zehn auf Expat befindlichen Tracks sind allesamt für die damalige Zeit Bilderbuch-hafte Oldschool EBM/Dark Wave-Tracks, welche jeden geneigten Hörer von A Split-Second, Vomito Negro oder Manufacture Freude bereiten könnten. Im Vordergrund stehen fein gestaltete, analoge Basslines, rhythmische Drum-Elemente sowie nasal verzerrte Vocals. Ein Kritik-Punkt wäre, dass einige Songs in ihrem Arrangement etwas zu viel des Guten an verqueren Sequenzen liefern sowie sich auch zu sehr ähneln. Auch wenn das komplette Album trotz des doch recht schwachen Mixings eine schöne Atmosphäre liefert kommt es leider nicht weit über Mittelmaß hinaus. Oldschool-Liebhaber können jedoch gern ein Ohr riskieren!

Lieblingstrack: Disseminate

Bewertung: 7(,5)/10

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