02.07.2018

Lederman / De Meyer – Eleven Grinding Songs

 
Genre: EBM, Electro
Release: 2018

Bei einer Kollaboration, welche sich aus den beiden Namen Lederman / De Meyer zusammensetzt sollten eigentlich sämtliche Alarmglocken klingeln und die Euphorie überschwappen. Jean-Marc Lederman ist eine bekannte belgische Größe, welche bereits seit vierzig Jahren musikalisch aktiv ist und sich in den 1980ern besondern mit The Weathermen einen Namen machen durfte. Darüber hinaus konnter er in den letzten Jahren auf weitere Erfolge durch Kollaborationen mit unterschiedlichen Sängern wie Frank M. Spinath und dem Projekt Ghost & Writer, Eric-Pierre Verwilghen (Leatherman) sowie mit der bezaubernden Mari Kattman und dem gemeinsamen Projekt Mari and the Ghost zurück blicken, um nur ein paar zu nennen. Mit Jean-Luc De Meyer steht also die nächste wahrlich große Kollaboration in den Startlöchern und eben jener ist kein geringerer als der Front (242)-Mann des EBM, welcher eine ganze Generation geprägt hat. Auch seine weiteren Projektbeteiligungen mit 32Crash, C-Tec-Project, Cobalt 60, Modern Cubism und zuletzt Underviewer hinterließen ihre Spuren. Wenn solch belgische Größen aufeinander prallen kann man sich eigentlich relativ sicher sein, dass ganz große Klangkunst das Resumé sein wird. Nachdem es mit der EP A Tribe Of My Own einen kleinen Vorgeschmack gab erschien kürzlich mit Eleven Grinding Songs ein komplettes Studioalbum mit, wie der Name bereits sagt, elf Songs auf der eigentlichen Album-CD sowie elf weiteren inkl. einiger Remix-Varianten auf CD2. Das Ganze erscheint in belgischer Tradition beim renomierten Label Alfa Matrix ebenfalls auf Vinyl. Ob dieses wirklich so durchgeschliffene Songs beinhaltet wie der Album-Titel zum Ausdruck bringen möchte, damit werden wir uns nun näher befassen.

Mit abwechslungsreichen Drum'n Bass-Beats beginnt der erste Track "Atoms In Fury" und offenbart zunächst eine angespannte und nachdenkliche Stimmung. Anteile von Orchester-Samples sowie Bass-lastige Synth-Pads weiten diesen Song immer weiter aus. De Meyer besingt hier sprechend und mit seiner vertrauten, tiefen Stimmlage auf Englisch mit charmant belgischem Akzent.
Nach diesem auf der gleichen Dynamik-Ebene verharrenden Intro geht es weiter mit "Back To Nature" und einigen experimentellen, LFO-getriggerten Synth-Sounds. Nach kurzer Zeit beginnt jedoch ein klassischer Song-Aufbau bestehend aus Oldschool-lastigen Drumlines und cleanen Synth-Sequenzen. Der Sprechgesang trägt recht dick auf, was bereits durch die letzten Underviewer-Veröffentlichungen bekannt sein dürfte. Wenn man diesen Track kritisch betrachtet hätten die Drum-Anteile ruhig etwas dicker auftragen um eine passende Club-Atmosphäre zu erzeugen
Um die Naturgetriebene Atmosphäre noch zu verdeutlichen beginnt daraufhin mit "Flowers And Birds And Bees" ein weiterer, recht eigensinniger Track. Dieser enthält die gewünschten Club-lastigen Drum-Elemente, nette orchestrale Klangspielereien und fein abgestimmte Synth-Sounds. Die Abmischung ist hier sehr gut gelungen und vor Allem der Gesangpart weiß zu überzeugen. Was hier besonders positiv heraus sticht sind die unterschiedlichen und gut getriggerten Atmosphäre-Pads. Eine wirklich schöne Nummer, die überzeugt.
Mit der Bezeichnung rockig könnte man vom darauf folgenden "I Wish We Could I Hope We Will" sprechen. Eine rapide Drum-Folge, wie sie bereits aus späten Front 242-Werken bekannt ist, wird ergänzt durch schnelle Sequenzen in hochtöniger Geräusch-Folge. Verwunderlich ist jedoch die verzerrte Klangfarbe sowie die etwas disharmonisch wirkende Geräusch-Kulisse. Dieser Song ist recht schräg perforiert und überzeugt nur mittelmäßig.
Mit Signal-gebenden Einzeltönen und dumpfer Sound-Kulisse macht "Heartbeat" weiter. Einige Streicher-Samples sowie sanftmütige Gesänge ergänzen sich zum gesamtheitlich emotionalen Klangbild hinzu. Drum-Elemente treten hierbei nur dezent und wie der Name bereits andeutet Herzschlag-artig in Erscheinung.
"Not Really There" erinnert ebenfalls an die alte belgische Klangschule und spielt mit vereinzelten Synthelementen sowie rhythmischen Drum-Sounds. Das Ganze entfaltet sich nach kurzer Zeit durch verträumte Klangkulissen mit abwechslungsreichen Hüllkurven zu einer gesamtlichen Größe. Die mit kräftigem Sprach-Gesang behafteten Vocals von De Meyer ergänzen sich ebenfalls gekonnt und deutlich hinzu. Musik zum Zurücklehnen und Genießen!
Der nächste, recht klassich strukturiert, erscheinende Track nennt sich "A Tribe Of My Own" und macht von Anfang an Dampf durch Club-lastige Beats und verträumt verhallende Piano-Sounds sowie Streichersamples. Eine straighte EBM-Bassline und kräftige Vocals sind ebenfalls Teil dieser melancholischen und bisher besten Album-Nummer
Weiter geht es mit "Run Ahriman Run". Diese gibt von Anfang an Vollgas und beinhalt sich sehr schön ergänzende Klangfarben innerhalb der Synthsequenzen. Die Drums und die Club-artige Rhythmik sind dabei  etwas schwach und könnten stärker ausgeprägt sein um das Gesamtbild zu verstärken. Zur Hälfte hin wird die Klangkulisse etwas verspielter und fällt streckenweise ins Disharmonische. An und für sich ist es jedoch ein Song der Spaß macht.
"Dots, Circles And Lines" beginnt zunächst recht technoid geprägt und liefert Industrial-lastige Geräusche, bis diese daraufhin in eine straighte EBM-Bassline münden, welche stark an den Front 242-Track "Modern Angel" erinnert. Auch die tanzbaren Drum-Beats und die gesprochenen Vocals ergänzen sich gekonnt mit in den Song, jedoch fehlt es etwas an Ausdruck und eigener Stilcharakteristik.
Mit französisch gesprochenem Text geht es bei "Tout me fait rire" recht klassisch weiter. Straighte, nachhallende Drums und weitläufige Synth-Sequenzen prägen diesen Song ebenso wie zischende Leads und atmosphärische Pads. Der Hörer bekommt was er erwartet und das klingt gut.
Zum Abschluß gibt es noch eine recht atmosphärische Nummer Namens "The Revenant". Diese ist deutlich langsamer wie vorherige und verharrt gerne innerhalb der eigenen, recht dumpfen Bassline. Ergänzend kommen noch einige anspruchsvoll gestaltete Effekte und dunkle, stark nachhallende Erzählungen von De Meyer hinzu.

Fazit:
Die Kooperation der beiden belgischen Altmeister scheint in ihrer Grundsubstanz stimmig zu sein. Das Debut-Album von Lederman / De Meyer liefert keine Überraschung für jeden, der die belgische Klangschule analoger Synth-Sequenzen und rhythmischer Drum-Elemente bereits kennt. Mit Eleven Grinding Songs wurden tatsächlich elf durchaus geschliffene Songs veröffentlicht aus denen eine klar spürbare Liebe analoger Klangsynthese hervorgeht. Dieses Album ist auch nicht wirklich vergleichbar mit dem was beide Künstler in de Vergangenheit bereits abgeliefert haben und eröffnet dem Hörer deswegen neuen klanglichen Stoff, dem ein respektabler Wiedererkennungswert zu Grunde liegt. Von der harmonischen Zusammensetzung einiger Klangelemente sowie vom Mixing hätte man jedoch mehr erwarten können. Wem De Meyer's tiefe Stimme jedoch gefällt, der wird dieses Album lieben. Auf dieser liegt nämlich ein recht hoher Fokus. Wie bereits angedeutet handelt es sich dabei eher um ein Album zum Genießen und Zurücklehnen.

Lieblingstrack: A Tribe Of My Own

Bewertung: 8/10

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