Genre: Minimal Electro, Electro-Industrial, Dubstep, Synthie Pop
Release: 2018
Homepage: https://www.facebook.com/ohgrofficial
Bei dem Projekt OhGr handelt es sich um nichts geringeres als um das Solo-Projekt des Skinny Puppy-Mitbegründers Nivek Ogre (alias Kevin Ogilvie). Das 1962 in Calgary, Kanada, geborene Multitalent ist begnadeter Künstler im Rahmen audiovisueller, künstlerischer Darstellungsformen und veröffentlichte unter dem Pseudonym OhGr bereits seit Anfang des letzten Jahrzehnts Releases, von denen bisher vier bei unterschiedlichen Labels erschienen sind. Die Stilmittel bewegten sich stets im Rahmen experimenteller Klangformen zwischen Electro-Industrial, Dark Electro, Dark Ambient, Noise und zuletzt Electro Rock. Nachdem es dieses Jahrzehnt ziemlich ruhig um das Projekt geworden ist erscheint nun kurz vor Ende unter eigener Hand das fünfte Studio-Album TrickS. Dieses ist aktuell nur digital zu erwerben und liefert ein märchenhaft-düsteres Covermotiv unter dessen Haube sich elf neue Songs befinden. Das sind mindestens elf Gründe sich das vielversprechende Gesamtwerk zu Gemüte zu führen.
Mit dem Song "Freaky" geht es sofort ans Eingemachte mit detuneten Synth-Signalen und clubbigen Beats. Dazu gesellen sich Vocoder-verzerrte und recht disharmonisch, nasal gesprochene Vocals im unverkennbaren SP-Stil wie auch schroffe Melodie-Anteile. Die Soundkulisse erscheint vor Allem während des Refrains recht zähflüssig und verstörend. Streckenweise möchte man sogar einige Dubstep- sowie Minimal Electro-Einflüsse vernehmen. Zum Ende hin wird das Ganze in Begleitung diverser Pad-Elemente noch recht atmosphärisch, was auch an Projekte von Peter Spilles erinnert und schnell neugierig auf mehr macht.
Daran schließt nahtlos "Subject" an, welcher ebenfalls schräg und hochtönig weiter macht und eine verspielte Atmosphäre offenbart. In diesem Track wird auch gerapped und sich unterschiedlicher klanglicher Experimente bedient. Die Anlehnung an Spätwerke von Skinny Puppy geht sehr deutlich hervor. Nachhallende, sanftmütige Gitarrenklänge sowie verträumte Vocals sorgen wieder gegen Ende für einen abrupten Wechsel in atmosphärischer Hinsicht.
Etwas Oldschool-lastiger erklingt hingegen der gleichnamige Albumtrack. Hier wird wieder Vocoder-lastig und mit fröhlich anmutenden Synth-Sequenzen sowie schlichten Drum-Loops hin und her gespielt. Zur Mitte hin kommt noch starkes Bitcrushing zur Geltung. Die Klangdynamik erscheint recht abwechslungsreich und überrascht immer wieder mit etwas Neuem. Auch dieser Track ist recht gewöhnungsbedürftig und fern jeglicher düsterer Atmosphäre. Dieses Album gestaltet sich bis dato recht kindlich und märchenhaft, was das Album wohl auch auf eine verschrobene Art und Weise zum Ausdruck bringen möchte.
Etwas mehr Spannung wird bei "Due They Know" erzeugt. Eine eher EBM-lastige Bassline sowie ein straighter Drum-Loop sorgen für eine martialisch anmutende Minimal-Nummer. Die Vocals sind abermals Vocoder-verzerrt und erzählerisch gestaltet. Wenn man es nicht besser wüsste möchte man meinen, dass dieses Album einen selbst auf die Palme nehmen möchte. Auf Grund seiner etwas energiereicheren Tonlage ein wirklich spannender und sehr gut produzierter Song.
"Blowby" beginnt zunächst mit hochtönigen Synthklängen, während sich nach kurzer Zeit clubbige Drums und Minimal-Sequenzen mit einer schwurbelnden Bassline überlagern. Dieser Track setzt sich aus überschaubaren Einzelteilen zusammen und bäumt sich immer weiter auf. Zur Mitte hin bekommt man während der Break noch ein paar weitschweifige Leads zu hören, welche das Ganze etwas verstörender klingen lassen.
Digital verträumt geht es mit Sägezahn-lastigen Bitcrush-Sequenzen und dem Song "Toxick" weiter. Die Vocals legen hier imposant effektreiche Wechsel hin. Nach ca. einer Minute beginnt der gesamte Song jedoch deutlich mehr an Fahrt zu gewinnen und überrascht durch tanzbare Rhythmik und beeindruckende Effekthascherei. Man spürt deutlich, dass sich der Künstler etwas bei der Gestaltung dieses Albums gedacht hat und wird immer wieder überrascht.
"Resolute" liefert eine Industrial-lastige Nummer mit Distortion-behafteten Vocals sowie düster anmutender Hauptsequenz. Nach einiger Zeit sorgen jedoch Drum'n Bass-lastige Elemente für etwas mehr Speed und begleiten verspielte Klangpassagen zur vollen Entfaltung dieses Songs. Generell eine eher atmosphärisch verharrende Nummer, jedoch die dunkelste von Allen auf diesem Album.
Fliegenschwirren kann man bei "Mind Made God" vernehmen. Disharmonische Zusammensetzungen unterschiedlicher Klangpassagen, vor Allem in Anbetracht der verquer gesprochenen Vocals, bilden den Grundbestandteil dieses Songs. Nach kurzer Zeit etabliert sich dieser als ein weitschweifiger Darkwave/Futurepop-Track mit äußerst verspielten Elementen.
"Muddle" macht mit Minimal-Ambitionen weiter und erinnert Anfangs sogar an alte Throbbing Gristle-Songpassagen. Äußerst poppig geht es jedoch nach kurzer Zeit weiter, so das daraus noch eine verspielte Electro-Nummer entsteht von der man Anfangs nicht ganz schlau wird, welche aber im weiteren Verlauf immer schlüssiger wird. Auch hier ist vieles nicht immer glatt gebügelt, das allerdings wäre auch langweilig.
Den eigentlichen Abschluß macht dann noch "Lye" mit einem deutlich krachigeren Club-Track. Das Ganze enthält einige dunkle, wie auch verspielte Klangpassagen und wird dem Ausdruck dieses Albums nur zu Gerecht. Die verzerrten Vocals ergänzen sich vor Allem hier gekonnt zu einem musikalischen Gesamtgemisch, der es in sich hat. Nach wie vor äußerst experimentell und stilvoll gehalten und Skinny Puppy näher wie jeder andere Song.
Fazit:
Nivek Ogre beweist mit diesem Album eindeutig, dass er es immer noch auf dem Kasten hat. Das erste ohGr-Album nach sieben Jahren offenbart gewohnt verstörende Klangpassagen, experimentelle Effekthascherei und verspielte Melodien. Wer in TrickS abtaucht, taucht tatsächlich in eine dunkle Alice im Wunderland-Geschichte voller klanglicher Überraschungen und Raffinessen ein. So wie das Covermotiv andeuten möchte, so klingt das Ganze dann auch: Etwas kindlich verträumt, zirkusartig verspielt und von verstörenden Gedankenwelten beseelt. Auf harmonischer Ebene muss jedoch gesagt werden, dass das Album wie auch aktuelle Skinny Puppy-Werke, nicht ganz zu überzeugen weiß. Die wahrscheinlich gewollt integrierten Disharmonien sind für den Hörer äußerst gewöhnungsbedürftig und an sich wirkt vieles leider auch etwas zu feucht-fröhlich, so dass sich dadurch atmosphärische Einbrüche eingliedern. Vor Allem die Vocal-Passagen sind manchmal zu viel des Guten und könnten etwas weniger dick auftragen. Das Produktionsniveau ist jedoch wie zu erwarten war sehr hoch angesiedelt und liefer auch so einige abwechslungsreiche Tracks in Tricks. Wer ein Ohr riskieren möchte kann dies tun, sollte sich jedoch auf einige verquere Songs einstellen.
Lieblingstrack: Due They Know
Bewertung: 7/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen