14.11.2018

Noire Antidote ‎– Negative Etiquette


Genre: Industrial, Dark Electro, Drum'n Bass, Witch House
Release: 2018

Ab und zu gibt es sie doch noch, die Überraschungsmomente. Man stößt zufälligerweise auf einen bis dato unbekannten Künstler weil einem entweder der Name, das Cover Artwork oder die Playlist zusagen und lässt sich vom Inhalt berieseln. Im Falle von Noire Antidote treffen alle drei Komponenten zu. Nach kurzer Recherche wird einem relativ schnell klar, dass es sich bei diesem Newcomer um den jungen Künstler Benjamin Schoones handelt welcher aus der niederländischen Provinz Boxtel stammt und mit Negative Etiquette sein zweites Studio-Album veröffentlicht. Dieses erscheint beim renomierten französischen Industrial-Label audiotrauma, welches bereits kreative Künstler wie Hologram_, Sonic Area & Chrysalide hervorgebracht hat. Innerhalb der äußerst ästhetisch wirkenden Hülle befinden sich zwölf neue Tracks, die klanglich ebenfalls überzeugen möchten. Grund genug sich das Ganze mal näher zu Gemüte zu führen.

"Obsidian Smile" beginnt mit Reverb-lastigen Melodien sowie ambienten Effekten, während nach kurzer Zeit flächendeckende Bass-Synths und eine Witch House-lastige Rhythmik diesen schwermütigen Track zu voller Größe entfalten lässt. Darüber hinaus ergänzen noch Dubstep & Industrial-Elemente diesen gekonnt inzenierten Crossover-Song, welcher in seiner Melancholie etwas an die Klangästhetik eines 2nd Face erinnert.
Düster und ambient bleibt es auch bei "No More Eyes", welcher versucht durch direkte Industrial-Drumparts die Aufmerksamkeit des Hörers zu erhalten. Starker Reverb, wie auch im Hintergrund verhallende Wavepads sorgen für eine Ritual/Tribal-lastige Atmosphäre in gemächlichem Tempo. Die Breaks kommen hier recht plötzlich und erhöhen die stark fokussierten Spannungsmomente.
Daraufhin erscheint der "Oneirophobia" genannte Song welcher zusammen mit dem, ebenfalls noch recht unbekannten Künstler, Monomorte enstand recht spannungsgeladen und erinnert an diverse Rhythm'n Noise-Nummern vergangener Jahrzehnte. Hier finden sich Klangwelten wieder denen unterschiedliche Einflüsse von Suicide Commando über Aimon & 2nd Face zu Grunde liegen könnten. Das Ganze ist in seiner epochalen Bandbreite von einem äußerst ästhetischen Klangbild umhüllt, auch wenn die Breaks nach wie vor etwas zu prompt in Erscheinung treten. Interessant ist hierbei jedoch die Zusammensetzung einzelner Elemente zu einer vollkommenen Klang-Größe. 
"Thistle Child" beginnt mit sanftmütig, nachhallenden Piano-Melodien und FX-Elementen, welche als Soundtrack diverser Geisterfilme dienen könnte. Bass-lastige Sequenzen und Drum'n Bass-Rhythmiken sorgen nach kurzer Zeit jedoch für eine Action-geladene Soundscore-Nummer, die unter die Haut geht. Auch als die Synthwave-lastigen Passagen in Erscheinung treten schafft es dieser Song nach wie vor eine besondere Wirkung zu erzeugen. Allerdings wirken streckenweise die Wiederholungspassagen etwas unbeholfen.
Melodiös, jedoch von Glocken-Samples beseelt, wird es sogleich mit dem zeitgemäß in Erscheinung tretenden Witch House-Song "The Nearness Of...". Hier wissen vor Allem die gekonnt eingesetzten Drum-Elemente zu überzeugen, während schwurbelnde Synth-Bässe sich nicht sonderlich von vorherigen Songs unterscheiden. Die Chor-lastigen Wave-Pads sorgen jedoch für eine melodramatische Atmosphäre und geben dem Track neben den im Hintergrund verhallenden Effekten die richtige Würze. Die Aufnahmequalität ist desweiteren top inszeniert.
Was es mit "AE AE AE" auf sich hat ist höchstens an Hand der einsetzenden Wave-Samples zu erahnen. Abermals erscheinen vertraut wirkende Drum'n Bass-Elemente in gemächlichem Tempo,  während Bass-Synths sowie Chor-lastige Pads die ganze Sache abrunden. Der Song tritt dabei nochmals ein wenig auf die Bremse und liefert eine feine Dark Electro-Nummer im Bratislava-Stil ab.
In der zweiten Halbzeit setzt "And So We Praise The Havoc" düster und Reverb-lastig nach und bäumt sich durch gekonnt inszenierte Bass-Synths sowie verspielte Drum'n Bass-Elemente. Die schräg einsetzenden Lead-Synths sind jedoch zu viel des Guten und erscheinen in einem recht störenden Frequenzbereich, so dass dieser Song dadurch etwas an Ästhetik einbußt. Die Chor-Pads sorgen darüber hinaus noch für eine unheimliche Stimmung, so dass auch dieser Horror Score abgerundet erscheint.
Unheimlich bleibt es auch mit dem gemächlichem Stück "Negative Etiquette". Dieser setzt sich in erster Linie aus Effekt-behafteten Wave-Samples und schwurbelnden Bass-Synths zusammen. Die Hiphop-lastigen Drum-Parts sind ebenfalls ein klares Zeichen eines Witch House-Songs.. nur ohne Rap, dafür mit einigen Sprachsamples. Störend wirken jedoch die dröhnenden und monoton erklingenden, lang gezogenen Einzeltöne.
"Bitter Solace" schließt sich dem an und sorgt in ambientem Sound-Gewand für eine verträumte Wirkung. Jedoch eröffnen sich hier wieder mehr Industrial- und Drum'n Bass-Klangwelten und sorgen so für etwas mehr stimmige Atmosphäre. Diese Nummer ist schön inszeniert, liefert jedoch im Vergleich zu anfänglichen Songs kaum Neuerungen. Einzig der harmonische Anteil ist hier etwas besser in Szene gesetzt als noch zuvor. Epochal und gut wirken auch die Violin-Samples.
Daraufhin hält sich "The Last Thing You Feel" zunächst mit einfachen Percussion-Schlägen zurück und spannt den Hörer so auf die Folter. Vereinzelt treten hier Elemente in Erscheinung, bis die bekannten Bass-Synths und rhythmischen Drums wieder den Ton angeben. Eine ordentliche Portion Sample-Spielerei und Experimentierfreude liegt diesem Song deutlich zu Grunde.
Zusammen mit der liebreizenden Ecstasphere ist der nachfolgende "Counterparts" entstanden. Dieser sorgt für eine abermals ambiente Stimmung und ebnet den Weg zu einem vollen Klanggewand mit schönen Melodie-Anteilen und tiefgreifenden Soundsphären, welche sich sowohl innerhalb der Effekte wie auch in den Violin-Pads wiederspiegeln. Als dann noch knallharte Industrial-Drums zu erklingen beginnen entsteht hier eine sehr verquere und von Ästhetik beseelte Atmosphäre. Ein wunderschön inszenierter Track, der doch etwas von vorherigen heraus sticht.
Zum Schluß liefert noch "Funeral In The Botanical Garden" eine ebenso ambiente wie harmonische Nummer, welche nochmal alle Elemente beinhaltet, die das Album und den Künstler ausmachen.

Fazit:
Dieser Tage gibt es eine Menge ambitionierter und talentierter Newcomer, was es auch schwierig macht die Spreu vom Weizen zu trennen. Noire Antidote aka Benjamin Schoones schafft es jedoch einer von denen zu sein, welche sich nur bedingt mit anderen vergleichen lassen. Seine Musik stellt ein Crossover-Gemisch verschiedener in der Moderne angesagter Stile dunkler Electro-Künste dar. Mit seinem zweiten Album Negative Etiquette geht er de fakto nach wie vor ganz eigene Wege und lässt vor Allem Freunde diverser Industrial-, Witch House- & Dark Electro-Künstler wie Suicide Commando, Aimon & 2nd Face freudestrahlend diese CD hören. Die darauf befindlichen Songs kommen ganz ohne Vocals aus, ähneln sich aber doch streckenweise zu stark. So verwendet der Künstler ein und dieselben Elemente über fast das gesamte Album und lässt auch innerhalb der Rhythmik etwas Variationsreichtum vermissen. Atmosphärisch ist das Ganze sehr schön verpackt, jedoch gilt hier: Kennt man einen, kennt man alle. Das Album ist aber äußerst gut produziert und würde auch einen schicken Horror-Soundtrack abgeben.

Lieblingstrack: Thristle Child

Bewertung: 7(,5)/10

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