05.03.2019

Acretongue ‎– Ghost Nocturne


Genre: Dark Electro, Industrial, Dark Wave, Synth Pop
Release: 2019

Exotische Künstler stellen immer wieder eine gern gesehene Bereicherung dar, da sie stets gewillt sind frischen Wind in angestaubte Musiklandschaften zu bringen und sich selbst gern mit neuen klanglichen Herausforderungen konfrontieren. Das Projekt Acretongue aka Nico Janse van Rensburg stammt aus Südafrika und liefert in gewisser Weise jenen exotischen Ansatz. Das Projekt selbst beschreibt sich dadurch, dass sich die Musik auf Wahrnehmung von Situationsn und Beobachtungen sowie auf Interpretationen dieser bezieht. Es geht um atmosphärische Texturen, Tiefe und Struktur sowie die Suche nach Antwort auf viele Fragen. So poetisch das klingt, so wirkt es in Anbetracht der stilvoll inszenierten Cover Optik auch. Die bisherigen Releases fallen nicht wirklich groß aus: Das erste Album, Nihil, erschien 2007, 2011 erfolgte mit Strange Cargo das zweite und kürzlich erst wurde bei Dependent Records Album Nummer drei mit dem Titel Ghost Nocturne released. Man kann de facto davon ausgehen, dass der Künstler in Anbetracht dessen eher Wert auf Qualität statt auf Quantität legt und darf gespannt sein was die neun darauf befindlichen Tracks zu bieten haben.

"Abacus", gemeinhin auch bekannt als Vorgänger des Taschenrechners, lautet der erste Titel, welcher schon mal äußerst mysteriös und atmosphärisch beginnt. Lang gezogene Pads und düstere Synth-Bässe umschließen den Hörer, während Industrial-lastige Drum-Elemente gemächlich die Spannung weiter anheben lassen. Die Vocals sind gesprochen und mit leichtem Distortion versehen. Der Song baut sich elementar aus einzeln sequenzierten Spuren zusammen und bäumt sich gelungenermaßen immer weiter auf. Eine schöne und äußerst melancholische Nummer, welche Dark Electro Herzen höher schlagen lässt.
Mit melodischen Sequenzen und effektreichem Glitch-Beat setzt "Requiem" ebenfalls sehr vielversprechend weiter an. Auch der sphärische Gesang sowie die entsprechend überlagernden atmosphärischen Pads wissen über weite Strecken zu überzeugen. Zur Mitte hin nimmt der Song noch weiter Fahrt an und entpuppt sich als gelungene Synth Pop Nummer im dunklen Gewand. Schöne Sache und stilvoll ausgearbeitet, auch was den Mix betrifft!
"Endling's Call" beginnt daraufhin mit detuneten Sequenz-Spielereien, starkem Delay auf mehreren Ebenen und äußerst experimentell gehaltenem Arrangement. Dieser harmoniert jedoch recht gut miteinander und auch hier stellt der Gesangs-Part einen entscheidenden Faktor zur Vollendung des Tracks dar. Vom Tempo her entspricht die Spielart einem Walzer und überzeugt durch abwechslungsreiche Tonalität.
Einen instrumentellen Filler bekommen Hörer mit dem Piano-lastigen "Nocturne, Pt. 1 - Dawn Crimson". Dieser fällt recht schwermütig aus, was sich an Hand von monotonen Bass-Synths und einer sich langsam aufbäumenden Sequenz bemerkbar macht. Der Track schafft es jedoch schnell die Spannung zu erhöhen und dadurch einen positiv bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Deutlich mehr Fahrt nimmt von Beginn an "Contra" an. Die Vocoder-verzerrten Vocals fallen hierbei jedoch in Anbetracht der düsteren Tonlage etwas negativ ins Gewicht. Instrumentell ist der Song jedoch ziemlich stark, da hier eine mysteriöse Bassline, fein ausgearbeitete Drum-Strukturen sowie melancholische Flächen gelungen ineinander übergehen. Die Leads wirken allerdings auch etwas plump und passen nicht so Ganz ins Gesamtbild hinein, da vor Allem im Refrain ein ziemlicher Stilbruch stattfindet.
Im Anschluß beginnt "Nightrunner" zunächst mit einigen sehr atmosphärischen und weitläufigen Klängen, einer im Hintergrund verharrenden Bass-Sequenz sowie von hinten heranschleichende, röchelnde Vocals. Elementar setzen dann noch einige Piano-Melodien und experimentelle Effekte an. Die Spannung wird ziemlich lange Aufrecht gehalten, als dann zur Mitte hin unverhofft das Ganze nicht in eine klangliche Explosion, sondern in einen ambienten Dark Wave-Track mündet. Schön sind noch die sich ergänzenden Industrial-Beats. Eine ebenfalls gelungene Nummer, bei der man jedoch einen gewissen Effekt vermisst.
"Minutia's Curse" hält die ambivalente Stimmung durch verträumte Pads Aufrecht, macht jedoch deutlich Industrial-lastiger und mit mehr Effekt-Hascherei versehen weiter. Bedrohliche Bass-Synths sowie spannende Sequenzen begleiten diesen unter die Haut gehenden Song über weite Strecken, während Vocoder-behaftete Vocals eine Begleitspur darstellen. Das Tempo wird zur Mitte hin nochmal etwas angehoben, prinzipiell ändert sich jedoch nichts an der eher ambienten Struktur.
Den nächsten rein instrumentellen Filler gibt es daraufhin mit "Nocturne II - The Drowning Hour". Dieser besteht hauptsächlich aus effektreichen Flächen und gedankenversunkenen Klangpassagen.
Den Abschluß liefert dann noch der längste Album-Song "Haven", welcher das gemächliche Tempo des gesamten Albums weiter Aufrecht hält und mit sphärischen Elementen eine düstere Ruhe ausstrahlt. Sehr schön integrieren sich auch hier die gesprochenen Vocals und sorgen dafür, dass ein sehr gutes Album ein würdiges Ende erfährt.

Fazit:
Nico Janse van Rensburg liefert mit seinem Projekt Acretongue im Alleingang eine in sich geschlossene runde Sache ab, die äußerst künstlerisch und kreativ inszeniert ist und Dark Electro-Herzen höher schlagen lässt. Ghost Nocturne ist ein sehr schönes und atmosphärisches Album geworden, welches zum Zurücklehnen und Genießen einläd und keine hektischen Passagen bereit hält. Instrumentell betrachtet ist das Ganze Spitzenklasse und liefert einen hohes Niveau sowie facettenreichen Ansatz ab. Die Vocoder-getriggerten Vocals passen hier und da mal mehr, mal weniger. Die gesprochenen Lyrics haben jedoch Hand und Fuß. Das Mixing fällt über weite Strecken sehr gut aus, streckenweise vermisst man jedoch etwas mehr Dynamik und einen gewissen Kick. Alles in Allem aber ein äußerst solides Album, welches sich nicht zu verstecken braucht und Fans von Teardown!, Fix8Sed8 oder auch Dive gefallen kann.

Lieblingstrack: Requiem

Bewertung: 9/10

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