Genre: EBM
Release: 2019
Homepage: http://www.zweitejugend.de/
Der Norden ist bekanntlich ein gesegnetes Pflaster für stilvolle EBM Umsetzungen aus Deutschland. So lieferte auch das sympathische Osnabrücker Duo Eli & Marcel bereits in der Vergangenheit regelmäßig coole Basslines und tanzbare Rhythmiken. Was vor mittlerweile über einem Jahrzehnt mit Combat Company auf "raw and pure"-Ebene startete wurde vor einigen Jahren durch Zweite Jugend erweitert und hat sich in kürzester Zeit zu einem festen und überaus beliebten Bestandteil der heutigen EBM-Szene etablieren können. Mit Liebe ist Luxus wurde bereits vor drei Jahren eine klare Richtlinie vorgegeben und ein zeitgemäßes Album im klassischen DAF-Stil mit hohem Maß an Wiedererkennungswert geschaffen. Daraufhin folgte ein Live-Auftritt nach dem Anderen sowie die Aufnahmen einiger schön anzusehender Musikvideos. Als Außenstehender ist auch schön zu sehen, dass den beiden Sympathisanten der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist und diese somit auch überall nach wie vor gern gesehen sind. Das kürzlich erschienene zweite Album nennt sich schlicht Elektronische Körpermusik und wird wohl auf ein Neues, wie der Name bereits andeutet, EBM in seiner Reinstform abliefern. Das Album beinhaltet elf neue Tracks und erschien wie gehabt beim hauseigenen Label Brandsatz Records sowohl digital, auf CD und sogar auf Vinyl. Nachdem bereits die dazugehörige Single "Leah und Alissa" für Aufsehen sorgte darf man als geneigter Hörer also gespannt sein was das Duo den Maschinen nun an Klängen entlocken konnte.
Der erste Track nennt sich "Flucht von der Erde" und beginnt mit modulierten, Noise-lastigen Atmo-Pads sowie minimalistischen Bass-Synths. Spannung wird durch den dynamischen Einsatz der gekonnt einsetzenden Drums erzeugt, welche ein tragendes Bindeglied dieses Projekts darstellen. Mit cleanen Vocals werden desweiteren kritische Lyrics auf simpel gehaltene Weise zum Besten gegeben. Die Intension erinnert auf seine Art ein wenig an DAF's "Ich und die Wirklichkeit".
Daraufhin nimmt das Album mit "Kriegergen" und einer tonal gleich bleibenden, impulsiven Bassline sowie tanzbaren Drum-Einlagen nochmal ordentlich Fahrt auf und sorgt dafür, dass sich weder Kopf noch Beine still halten können. Zusätzlich sorgen das Wechselspiel zwischen gesprochenen und geshouteten Vocals sowie die überlagernden Sequenzen auch nochmal für ordentlich Power. Die Klangfarben sind durchaus schön gewählt und der gesamte Track bildet auf seine monoton dargebotene Weise eine feine EBM Nummer ab.
Das wird vor Allem mit dem darauf folgenden "Falsche Freunde" mehr als gelungen weiter gesponnen. Die Bassline fällt hier etwas hochtöniger, jedoch nicht weniger eindrucksvoll, aus. Die Sequenzen liefern sehr schöne Klänge, während Marcel die Drum-Elemente punkig zur Geltung bringt. Eli's Vocals beinhalten noch eine ordentliche Portion Wut, was überaus gelungen mit den instrumentellen Anteilen harmoniert und integriert wird.
Auch mit dem darauf folgenden gleichnamigen Albumtrack wird dem Hörer keine Verschnaufpause gegeben. Die Bass-Sequenz fällt hier etwas verspielter und mit fokussierteren Anteilen auf die darin zu Grunde liegende Modulation aus. Die Vocals erscheinen bei diesem Song leider etwas flach und hätten mehr Pepp vertragen können. Was jedoch vor Allem begeistert sind die abwechslungsreichen und Percussion-lastigen Einsätze der Drums.
"Die Ganze Nacht" beginnt zur Abwechslung mit einer etwas ruhigeren Grundlage, was vor Allem auch von den Reverb-lastigen Lead-Synths ausgeht. Die Tonalität der einsetzenden Bassline hinterlässt hierbei einen recht melancholischen Eindruck, die Drums wurden dynamisch gekonnt und abwechslungsreich eingespielt und die Vocals sorgen darüber hinaus noch für eine sentimentale Atmosphäre. Der Song liefert einen schönen Flow ab und schlägt einen ähnlichen Pfad wie DAF's "Als Wärs das Letzte Mal" ein.
Mit minimalistischen Sequenzen und punkigen Drums geht es mit "Weisses Rauschen" ebenfalls tanzbar weiter. Die Lyrics liefern hier eine nachdenkliche und streckenweise wütende Message und werden durch abrupt einsetzende Vocals zum Besten gegeben. Die minimalistische Monotonie des Tracks scheint wohl ein gewolltes Element an dieser Stelle zu sein.
Der darauf folgende Song "Leah Und Alissa", welcher einen homoerotischen Ansatz verfolgt, konnte bereits als Single-Auskopplung vor einigen Monaten überzeugen und liefert einen spaßigen Track mit schönen Laser-artigen Lead-Synths, melodiösen Bass-Sequenzen sowie dynamischen Drum-Einlagen. Die deutsch gesprochenen Vocals kommen ebenfalls gut zur Geltung und darüber hinaus ist dieser Track, wie auch schon die vorherigen, hervorragend produziert. Feine Sache!
Mit schnellem Rhythmus und etwas zu monotoner Bassline macht "Alte Schule" weiter. Die Lyrics sind simpel, die Vocals kommen gesprochen zur Geltung und leider fehlt es diesem Track etwas an Energie und Abwechslungsreichtum. Die zur Mitte hin einsetzenden Flächen sowie melodiösen Sequenzen kommen jedoch nochmal ganz gut zur Geltung. Dennoch einer der etwas einfallsschwächeren Songs auf diesem bis jetzt durchaus gelungenen Album.
Einen interessanten Ansatz verfolgt "Alles wie immer" von Beginn an als zunächst eine rapide Bassline sich von hinten an den Hörer heran pirscht, während dezent im Vordergrund erscheinende Synths mit diesen harmonieren. Nachdem sich dann noch eine weitere Sequenz in deutlich anderem Tempo zusätzlich gekonnt dazu ergänzt und auch die Beats und Vocals überzeugen können staunt man nicht schlecht über diese gewiefte EBM-Nummer.
"Heile Welt" hat in seine dargebotene Form gar etwas Front 242-lastiges, was vor Allem an dem gekonnt FM-sequenzierten Bassline-Einsatz liegt. Ein knackiger Snare-Bassdrum-Wechsel sowie Percussion-Elemente sorgen noch für eine schöne Stereofonie, während die Vocals abermals einen kritischen Unterton gekonnt zur Geltung bringen. Ein Sound der zwischen spaßig und melancholisch Achterbahn-artig auf und ab fährt und dadurch einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Mit dem konfusen Ausdruck "Kontronym" und einer diesmal schweren, gemächlichen Bassline sowie einfach gesprochenen Vocals endet dieses sehr gelungene EBM-Album auch schon nach knapp über einer halben Stunde.
Fazit:
Mittlerweile sind Zweite Jugend kein Geheimtipp mehr und brauchen sich auch mit ihrem zweiten Album nicht vor einem großen Publikum zu verstecken. Alle auf diesem Album befindlichen Songs sind knackig kurz und dennoch abwechslungsreich, verspielt und nachdenklich gestaltet. Elektronische Körpermusik glänzt an Kreativität und liefert mit klanglich minimalistischen Mitteln ein maximal gelungenes EBM-Album ab. Die Tonalität ist stets gut in Szene gesetzt und trotz des ähnlichen Synth-Verhaltens wird ein hohes Maß an Experimentierfreude über unterschiedliche Modulationsarten zum Besten gegeben. Auch die Drums wurden mit einer begeisternden Dynamik eingespielt und sorgen dafür, dass kein Fuß auf dem Boden bleibt. Eli & Marcel liefern zu ihrer letzten, ebenfalls sehr gelungenen, Aukopplung Liebe ist Luxus nochmal eine Qualitätssteigerung ab und lassen erkennen, dass jeder Song mit viele Liebe fürs Detail entstanden sind. Ein kleiner Kritikpunkt könnte sein, dass sich der ein oder andere Track doch zu sehr in seiner Monotonie verstrickt und den Hörer etwas zurück lässt, jedoch kommt sowas nur marginal vor. Wer also guten deutschen EBM hören will sollte bei diesem Album seine Lauscher aufsperren.
Lieblingstrack: Falsche Freunde
Bewertung: 9(,5)/10
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