Genre: Dark Electro, Harsh Electro, Electro-Industrial, EBM
Release: 2019
Ein bis dato eher unbekannter, belgischer Dark Electro-Künstler gibt derzeit ein Underground-Comeback. Die Rede ist von Reality's Despair. Noch nie gehört, noch nie gesehen? Kein Wunder, denn der Künstler bleibt gerne anonym, besitzt keinen Label-Vertrag und veröffentlichte zuletzt Ende des letzten Jahrtausends zwei Alben und eine EP. Knapp zwei Jahrzehnte hat es nun also gedauert bis sich Demarcatio(N) dazu entschloß wieder neue Musikproduktionen in die Welt zu setzen. So erschien letztes Jahr der dritte Release Societal Collapse und wird dieses Jahr erweitert mit dem neuesten Machwerk Human Transitions. Eigentlich kein schlechtes Timing, denn die große Dark Electro-Ära endete mit den 1990ern und findet erst in den letzten paar Jahren wieder mehr Anklang. Der Künstler benennt seine musikalischen Referenzen mit Evils Toy, Digital Factor & Solitary Experience was relativ interessant klingt, denn diese Namen werden selten in Kombination als Referenz angegeben. Das schlicht gehaltene CD Cover zeigt deutlich, dass es sich hier um einen künstlerischen Einzelgänger handelt: Schnell mal auf der Rolltreppe ein Foto geknippst und mit zwei Textzeilen überlagert. Das spart die Investitionskosten für ein aufwändiges Artwork. Human Transitions ist auf Bandcamp erhältlich und beinhaltet zehn neue Tracks sowie einige aufgemotzte Versionen früherer Tracks. Zeit sich das Ganze also mal zu Gemüte zu führen!
Es geht los mit einer coolen Reverb-behafteten EBM Bassline und dem Track "Our Final Vision". Das Arrangement ist vertraut klassisch gehalten und spielt mit Percussion- und Drum-Elementen. Die Snare-Anteile sowie die Vocals kommen brachial zur Geltung während melancholische Synth-Pads für eine düstere Atmosphäre sorgen. Hinzu gesellen sich noch weitere Synth-Leads im Cat Rapes Dog-Stil, was einen positiven Effekt mit sich bringt. Ein schöner Mix unterschiedlicher Klangfacetten.
Mit detunten Future Pop-Elementen macht der gleichnamige Albumtrack weiter. Das klingt zunächst etwas ungewohnt und wird überlagert von Slicer-Effekten sowie Distortion-behafteten Sequenzen. Erst als die Drums ansetzen sowie sich verzerrte Vocal-Elemente dazu ergänzen hinterlässt das Ganze einen besseren Gesamteindruck. Das Spiel mit den unterschiedlichen Sequenz-Anteilen sowie das abwechslungsreich gehaltene Arrangement wirken sehr charismatisch. Etwas störend fällt hierbei jedoch die Tonalität, vor Allem in Anbetracht der schrillen Leads, aus.
"Gemini Treason" beginnt mit einigen dumpfen Sequenz-Spielereien und driftet streckenweise in einen ziemlich schrillen Harsh Electro ab, was zum einen an den leicht überzogenen Lead-Anteilen sowie den brachialen Drum-Elementen liegt. Passend dazu ergänzen sich Distortion-behaftete Vocals und weitere verspielte Sequenzen. Ein wilder Klangbrei unterschiedlicher Tonalitäten, der sich dennoch recht melodiös aufeinander abstimmt.
Als nächstes folgt "Abandon" mit straightem Beat, einigen Effekt-behafteten Soundsamples und einer ziemlich coolen Bassline. Diese grooved vor sich hin während die abwechslungsreich gestalteten Drum-Anteile einen tanzbaren Track zum Besten geben. Auch hier sind die effektreichen Vocals wieder gut abgemischt und integrieren sich frequenziell gekonnt in den Gesamt-Mix. Schöne Nummer!
Deutlich aggressiver geht von Beginn an "Too Deep For Tears" zur Sache. Die eingesetzte Bassline wirkt recht penetrant und verschluckt streckenweise die straighten Drum-Anteile. Hier bekommt man schnell den Eindruck, dass dieser Song etwas überkomprimiert wurde. Darüber hinaus liefert der Song einen beklemmenden Eindruck was sich durch brachial eingesetzte Vocals sowie der düsteren Grundhaltung bemerkbar macht. Dennoch etwas schwach im Vergleich zu den letzten Songs umgesetzt und die technoiden Sequenzen wirken auch eher störend.
Mit angenehmen Bass-Sequenzen im EBM-Stil und Futurepop-lastigen Leads macht "Nocturnal" weiter. Was hier etwas schwach zur Geltung kommt sind die Drum-Anteile, die deutlich vulominöser hätten ausfallen können. Gesamtheitlich betachtet liefert dieser Song vermehrt eine ruhigere Atmosphäre, was auch aus den gut eingebrachten Synth-Pads hervorgeht. Auch hier hätte jedoch ein Feinschliff bei der Endproduktion nicht geschadet.
"When Crisis Comes" beginnt wieder recht Sequenz-lastig und wird ergänzt durch einige Soundsamples. Extrem schräg setzt nach kurzer Zeit eine aggressive Hauptsequenz an, die wie Kirmes-Techno klingt. Dazu kommen noch wilde, zusammenhanglose Drums voller schräger Momente. Auch die Vocals wirken lieblos eingebracht, so dass aus dem großen Ganzen ein verdammt schlechter Track entstanden ist. Skip!
Dagegen klingen die bei "Society Sorrows" erklingenden Sequenzen zum Glück wieder lieblich angenehm und auch die melancholischen Effekt-Pads sowie anmutigen Drum-Anteile hinterlassen einen positiven Gesamteindruck. Die Distortion-lastigen Vocals kommen gut und das Arrangement liefert eine abwechslungsreiche Nummer. Geht doch!
Weiter geht es mit "Abduction" und erneut EBM-lastigen Bässen sowie einer gelungenen Dark Electro-Atmosphäre. Der Track bäumt sich über die Zeit immer weiter aus und ebnet mit aggressiven Drums und angenehmen Gesamt-Mix eine gut tanzbare Nummer, die auf seine düstere Art und Weise Spaß macht.
Zuletzt folgt mit "The Second Of Death" noch der eigentlich letzte Albumtrack und zeigt von Anfang an eine anmutige Dark Electro-Nummer mit Sequenzen, Pads, effektbehafteten Vocals und abwechslungsreichen Drums. Somit alles was dazu gehört!
Fazit:
Human Transistions liefert im Großen und Ganzen eine gespaltene Meinung. Der Künstler zeigt, dass er einiges auf dem Kasten hat und sowohl EBM, Dark Electro als auch Harsh Electro und Electro-Industrial zum Besten geben kann. Allerdings sind so einige Songs wirklich billig produziert und liefern einen schwachbrüstigen Gesamt Mix. Der Ausdruck der einzelnen Songs kommt gut zur Geltung und auch die Vocal-Anteile wissen größtenteils zu überzeugen. In der Tonalität wird sich jedoch gerne mal vergriffen. Reality's Despair bleibt nach wie vor ein Projekt mit viel Potenzial, könnte jedoch noch etwas mehr Mühe in die Endproduktion der einzelnen Tracks hinein stecken um das Ganze auch wirklich hörbarer zu gestalten. Dennoch kein schlechtes Album, welches Freunden von diversen Dark & Harsh Electro Projekten zusagen könnte.
Lieblingstrack: Abandon
Bewertung: 6(,5)/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen