Release: 2019
Homepage: https://www.empirion.org/
Die 1990er sind eine Zeit an die sich viele elektronische Musikfans nur zu gern zurück erinnern. Nach der Wende war die Bahn frei für eine neue Generation Heranwachsender, die unterschiedliche Strömungen prägten und auch weiter verfolgten. Während musikalisch auf der einen Seite harter und schneller Techno, welcher nicht selten unter Drogenkonsum fabriziert wurde, von Hippie-Nachfahren auf der Loveparade zelebriert wurde, fand sich auf der anderen Seite beseelt vom Wave alter Tage und dystopischem Gedankengut die Dark Electro- & Electro-Industrial-Bewegung wieder.
Es gab nur wenige Projekte, deren Einflußnahme aus beiden Welten stammt, doch wenn man eines darunter nennen kann, dann ist es wohl Empirion. Das aus Essex, England, stammende Industrial Techno-Projekt startete 1993 bestehend aus den Protagonisten Austin Morsley, Jamie Smart & Bobbie Glennie mit der Veröffentlichung mehrerer Singles, worunter sich auch einige Club-Hits befanden. 1996 folgte dann mit Advanced Technology das erste und einzige Album der Band, bevor sie sich 1998 wieder auflösten. Eine recht kurze Karriere also. Zudem segnete Bobbie Glennie 2005 leider das Zeitliche. Fans von Empirion dürfen sich also nun 23 Jahre später über ein recht unerwartetes Comeback und dem Album Resume freuen, welches von keinem geringerem als dem renomierten Dark Electro/Industrial-Label Dependent Records aus dem Boden gestampft wurde.
Die einstige Techno-Band will es also nochmal wissen und veröffentlichte kürzlich als Zwei-Mann-Besetzung ein dickes, mit achtzig Minuten voll geladenes Album, welches elf neue Tracks in Überlänge bereit hält. Echte Fans können sich auch die 2CD-Variante mit einer zusätzlichen Bonus Disc und sechs zusätzlichen Musikstücken holen, welches von der Spielzeit her gut als weiteres Album durchgehen könnte. Man darf also gespannt sein wie der Techno der alten Tage noch wirkt.
Den Anfang macht der gleichnamige Album-Song mit einer lang gezogenen, atmosphärischen Klangfläche, die sich ordentlich Zeit für den Fade-In lässt. Nach ca. einer Minute stoßen einige Industrial-Effekte hinzu, welche leicht alarmierend wirken. Auf diese Art und Weise wirkt das Ganze recht ambient und spannt den Hörer auf die Folter. Der eigentliche Beat beginnt überraschend langsam und sorgt für einige verquere Breaks in Kombination nachhallender Vocal Samples sowie einer maschinell klingenden Bassline. Das Ganze klingt recht technoid, ist sauber abgemischt und wirkt wie ein gut gestrecktes Intro. Britischer Stil á la Portion Control.
Gegen Ende des letzten Songs kommt dieser richtig in Fahrt und führt zur coolen Drum'n Bass-Nummer "S.E.T.I.", die mit einigen verspielten Leads und rapiden Sequenzen agiert. Komplexe Filter-Anteile und ein schneller Beat erinnern dabei schnell an Prodigy, allerdings mit deutlich sanfterer Abmischung. Der Track liefert hier und da kleine Verschnaufpausen, indem angenehme Melodien und zischende Effekte gekonnt ineinander greifen, während der Rhythmus langsamer wird. Die Vocoder-Elemente wirken hierbei jedoch leicht (ver)störend.
Ein sanfter Übergang erfolgt weiter mit "They're In My Dreams" und einem straighten und knalligem Beat, der Tanzbeine in Bewegung setzt. Diese Nummer enthält vieles was ein guter Electro-Industrial-Track braucht und liefert mit der zu Grunde liegenden Bassline sogar etwas EBM im Nitzer Ebb-Stil. Eine Straight Forward-Nummer, die auf Anhieb zu überzeugen weiß und neben tanzbarer Rhythmik auch einige ausgeklügelte Melodien und verspielte Leads enthält. Die Vocal Shouts kommen ebenfalls gut zur Geltung und runden diese starke Oldschool-Nummer ab!
Der nächste ausgefuchste Übergang führt zu "Red Noise" und einer klassischen Dark Techno-Nummer. Ein pumpender, gemächlicher Beat und Delay-behaftete Effekt-Signale sorgen für eine recht technoide Nummer, welche ihr Arrangement Stück für Stück aufbaut. Während einige verspielte Bass-Synths mit einer hoch professionell agierenden Effekt-Rhythmik nach vorne treiben gesellen sich noch dunkle Lead-Elemente hinzu und sorgen für eine dunkle Atmosphäre. Eine Nummer, die ebenfalls stark an Portion Control erinnert und zu gefallen weiß.
Warum man sich für die zweite Version von "Too Many Masters" auf dem Haupt-Album entschieden hat bleibt ungeklärt. Auf jdeden Fall darf hier die Künstlerin Lucia Holm, die sich in erster Linie durch ihre Dance-Band Sunscreem in den 1990ern einen Namen machen durfte mitwirken und begeistert mit ihrer talentierten Stimmlage. Auch diese Dark Techno-Nummer lässt sich erst einmal etwas Zeit, agiert in erster Linie mit tanzbarem, geradlinigem Beat, einigen trancigen Melodien und harmonisch verspielten Sequenzen. Der Track bremst sich streckenweise leider selbst etwas, kommt zur Hälfte hin jedoch nochmal richtig in Fahrt.
Weiter geht es mit "Stepper" und atmosphärischen Pads, während maschinelle Effekte den Song ergänzen. Nach kurzer Zeit beginnt jedoch eine energiegeladene Electro-Industrial-Nummer, die ausgeklügelte Drumloops mit tonal sehr gut abgemischten Sequenzen kombiniert. Weitere Leads sorgen noch für einen zusätzlichen Antrieb. Auch diese starke Nummer liefert einen guten Flow und zeigt durch einen professionellen Mix, dass es die alten Haudegen immer noch drauf haben!
"Side Swipe" wiederum versorgt geneigte Hörer mit etwas mehr britischem EBM im Terence Fixmer-Stil und stellt eine dunkle, voluminöse Bassline in den Vordergrund. Der Track weiß durchgehend zu überzeugen und spielt mit verqueren Leads genauso wie mit aggressiver Tonalität. Ein Abwechslungsreiches Arrangement und eine komplexe Charakteristik wissen zu überzeugen und schaffen ein grandioses Klangbild.
Daraufhin geht es mit sanftem Übergang zu "Lock It Down", welche auf eine rauhe Hauptsequenz setzt und sich ein Zusammenspiel mit weiteren Layern erlaubt. Auch dieser Track ist treibend und geht gut zur Sache. Ein klassischer Club-Beat und diverse Sequenz-Überlagerungen sind die Folge dieser Techno-Nummer, die an Frühwerke des Projekts erinnert. Das Stück beinhaltet eine Mischung aus Prodigy und dem Blade-Soundtrack und wirkt dabei recht eingängig.
Auch bei "I Am Electronic" bleibt es wie der Name schon sagt elektrisierend. Die Synth-Elemente kommen hier zunächst monoton rüber, während eine Robo-Voice sich technoid passend zum Track ergänzt. Mit klassischem Drum'n Bass geht es nach kurzer Zeit jedoch ans Eingemachte und treibt so mit einem vollen Klangvolumen gekonnt nach vorne. Auf Dauer wirkt diese Nummer jedoch etwas fad und bremst sich selbst schnell aus.
Synth-Spezialisten ist die Bedeutung von "ADSR" durchaus bekannt. Entsprechend treibt auch diese maschinelle Nummer von Beginn an attackierend nach vorne und kommt nach einigen Vocal-Einlagen voll zur Geltung. Der Beat geht gut nach vorne, die Melodien beinhalten eine schöne Klangvielfalt und alles in Allem ist der Track sehr gut abgemischt und sorgt für einen coolen Flow. Darüber hinaus kommen die Tonalitäten recht abwechslungsreich zur Geltung.
Für einen imposanten Abschluß sorgt daraufhin noch "Hate The Hate" mit einer ebenfalls ziemlich langen Nummer und zunächst verqueren Sequenzen, während sich ein atmosphärischer Klangteppich langsam nach vorne schleicht. Der Song braucht einiges an Vorlaufzeit, hat man jedoch genügend Geduld wird man auch hier wieder von einem Industrial-lastigen coolen Dark Techno-Song überrascht, der hier und da wieder einige Breaks bereit hält.
Wer sich die 2CD Variante besorgt kann sich noch über weitere 45 Minuten Empirion und sechs weiteren Tracks freuen.
Fazit:
Das Comeback von Jamie Smart & Austin Morsley kommt nicht in kleinen Häppchen, sondern mit einem richtig dicken Ding. So bekommen geneigte Empirion-Hörer dabei eine geballte Mischung aus Electro-Industrial, Drum'n Bass und Dark Techno zu hören. Die beiden Protagonisten hinter dem Projekt sind richtige Profis an den Maschinen und das beweisen sie mit Resume auch recht eindrucksvoll. Von Beginn an fühlt man sich zum Einen gut in die 90er Jahre zurück versetzt, da das Projekt ihrer Stilistik treu geblieben ist, zum Anderen ist die Musik auch so zeitgemäß wie nie zuvor und hervorragend produziert. Der britische Stil des Electro-Industrials, welcher hier mit bereits bekannten Facetten von Portion Control, Terence Fixmer & (späten) Nitzer Ebb integriert wird kommt mächtig gut zur Geltung. Zum Ende hin wirken einige Songs etwas zäh, weswegen es hier auch nicht die volle Punktzahl gibt und man hätte sich hier und da auch einige zusätzliche Gesangseinlagen gut vorstellen können. Wer sich jedoch in einen elektrisierenden post-modernen Cyberspace hinein begeben will sollte in dieses Album auf jeden Fall hinein hören. Auch für DJs zu empfehlen!
Lieblingstrack: They're In My Dreams
Bewertung: 8(,5)/10
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