18.10.2019

Liebknecht ‎– Produkt


Genre: Dark Techno, EBM, Industrial, Dark Ambient, Minimal Electro
Release: 2019

Daniel Myer ist ein Künstler und Vollblut-Musiker durch und durch. Bereits mit seinen beiden Steckenpferden Haujobb & Architect beweist der Leipziger bereits seit über 25 Jahren, wie facettenreich und tief seine leidenschaftliche Umsetzung zur ambient elektronischen Klangsynthese geht. Mit beiden Projekten veröffentlichte er bereits sowohl als Tüftler als auch Sänger eine Vielzahl unterschiedlich klingender Alben, die allesamt ihren eigenen individuellen Charme besitzen. Zudem liegt allein den Benennungen sowie den Cover-Artworks gegenüber eine deutliche Anlehnung an das Sci-Fi-Genre zugewandt. Neben seinen beiden genannten Hauptprojekten ist er noch in unzählige weitere, kleine Projekte sowohl Solo als auch mit Unterstützung weiterer Künstler verstrickt. Der unermüdliche, kreative Schaffenskopf weiß einfach immer wieder auf ein Neues zu überraschen. Sein neuestes Baby hört auf den Namen Liebknecht und wurde erst kürzlich gestartet. Nach einigen aufwärmenden Single-Auskopplungen wurde mit Produkt kürzlich das Debut-Album digital veröffentlicht. Dieses beinhaltet zehn neue Tracks mit knapp unter einer Stunde Spielzeit und erschien bei Lenny Dee's noch recht jungem Techno/Industrial-Label Hard Electronic. Man darf also gespannt sein was Mastermind Myer diesmal zu bieten hat.

Es geht los mit knallhart pulsierenden Beats sowie ambienten Flächen und dem Track "Danzig". Während des groovigen Verlaufs bäumen sich stückweise eine gemächliche Sequenz und weitere Drum-Elemente auf. Nach einer kurzen Break entfaltet sich der komplette Song zu voller Größe, als eine bedrohliche Bassline neben einer dicken Snare den Ton angibt. Einige experimentell verquere Synth-Effekte sowie Sound Samples sorgen zwischendurch für etwas Abwechslung. Diese düstere und zeitgleich technoide Dark Techno/EBM-Nummer weiß durchgehend zu gefallen und schafft ein voluminöses Klangbild gleich zu Beginn!
Die Reise führt weiter nach "Berlin", wo den Hörer erst mal einige tiefe Atmosphäre-Pads sowie eine technoide Hauptsequenz entgegen kommen. Planierraupen-artig und maschinell wird diese rauhe Nummer durch einen straighten Beat sowie dumpfe Effekte ergänzt. Das Ganze geht streckenweise nicht ganz so gut ins Ohr, da die abgehackte Struktur den Track etwas ausbremst. Zur Hälfte hin bekommt die Nummer jedoch etwas mehr Variationsreichtum und schafft damit einen selbstbewusste Industrial-Stil.
"Königsberg" präsentiert sich ohne Kloppse, dafür jedoch mit ausschweifenden, atmosphärischen Klangflächen, welche eine ambiente Spannung erzeugen. Im Hintergrund gesellen sich leicht zischende Leads mit ins Gesamtkonstrukt, während weitere Sequenzen für eine leicht bedrohliche Stimmung sorgen. Eine Dark Ambient-Nummer, welche sich vermehrt auf experimentierfreudige Klangstrukturen und weniger auf tanzbare Beats konzentriert.
Myer's Heimatstadt "Leipzig" wird in darauf folgenden Song vertont. Dieser beginnt mit straighten Club-Beats und dezenten Bass-Sequenzen. Klanglich wird hier etwas Nitzer Ebb-Stilistik sowie ein starker EBM-Ansatz zur Geltung gebracht. Ein schöner, ausgewiefter Gesamtmix, welcher schnell zu überzeugen weiß und auf diese Art und Weise ein ausgereiftes Klangbild zum Besten gibt. Sehr snappy das Ganze. Starke Nummer!
Mit dem etwas eigensinnigen Titel "Ice Over Erfurt" geht es etwas erperimentierfreudiger weiter. Neben straighten Club-Beats kommen rauhe Sequenzen und Industrial-lastige Effekte zum Tragen. Hier und da gesellt sich noch atmosphärisches Pads hinzu, während stückweise hochgelayert wird. Das Arrangement setzt sich aus klanglichen Lego-Bausteinen, die streckenweise nicht ganz zusammenpassen wollen und wieder neu sortiert werden, so dass am Ende doch ein fetter Gesamtmix dabei entsteht. Etwas Haujobb kommt hier auch durch. Äußerst kreativ!
"Köln" setzt ebenfalls recht Industrial-lastig an und offenbart einige eigensinnige Klangspielereien von denen man als Hörer zunächst nicht schlau wird. Dramaturgisch ergänzen sich noch Bass-lastige Synth-Anteile und ambiente Flächen hinzu. Diese etwas dumpfere Nummer entpuppt sich schnell als eher clubbiger Dark Techno-Track, der auf ein feinfühliges Arrangement setzt. Der Mix liefert darüber hinaus einen ziemlich coolen Groove.
Etwas internationaler wird es mit dem Titel "Saint Pete", auf welchem dem Hörer einige schroffe Synth-Effekte erwarten. Die FM-Sequenzen knallen von Beginn an ordentlich, während die Drumbeats ziemlich straight und hart zur Geltung kommen. Passend zur russischen Metropole klingt dieser Song relativ kalt und spielt hier und da noch mit einigen Samples. Der Mix wirkt dadurch ausgeklügelt und experimentell, als Hörer bekommt man jedoch nicht so leicht Zugang dazu.
Es geht weiter nach "Hamburg" und überraschend minimalistischen Ansätzen. An Hand der Minimal Electro-lastigen Sequenz und den im Vergleich zum restlichen Track sehr wavigen Drumbeats kann man daraus auf eine relativ poppige Nummer schließen. Die hochtönig einsetzenden Lead-Synths sowie verspielten Sound Samples verstärken entsprechende Message noch deutlich. Das Ganze klingt komplex und spaßig zugleich.
Die Städtereise wird mit dem darauf folgenden "Overwrite" beendet. Dieser setzt zunächst auf Sci-Fi-lastige Sound-Elemente und epochale Drum-Samples. Nach und nach ergänzen sich noch ein straighter Club-Beat sowie pulisierende Sequenzen in den dunklen Gesamtmix. Nach einer längeren Vorlaufzeit entpuppt sich das Ganze als düstere Dark Techno-Nummer mit Industrial-Ansätzen, welche Spaß daran findet den Hörer auf die Folter zu spannen.
Mit dem finalen Song "I Am Freak" wird ein ganz klassischer Techno House im Berliner Stil zur Geltung gebracht, der auf einen langsam pumpenden Beat und eine flippige Bassline setzt. Hier und da kommen noch experimentelle Effekte zum Tragen. Der Track wirkt von Beginn an äußerst massentauglich und kann wohl für einige vollgestopfte Tanzflächen sorgen. Schöner Groove zum Abschluß!

Fazit:
Daniel Myer beweist auch mit seinem neuesten Projekt Liebknecht, dass er ein Tausendsassa ist und klanglich wohl für ihn nichts unmöglich zu sein scheint. Produkt gestaltet sich so vielfältig und abwechslungsreich wie kaum ein anderes Album des Masterminds zuvor. Der Hörer bekommt hier knapp eine Stunde unterschiedlichster Stilistiken elektronischer Klangvielfalt präsentiert, welche sowohl ambient als auch tanzbar wirken. Der Vollblut-Musiker weiß einfach genau auf den Punkt zu treffen und schafft es ein Album, ganz ohne Gesang, zu veröffentlichen, welches von Anfang bis Ende nicht langweilig wird. Als Kritikpunkt lässt sich höchstens anmerken, dass einige Songs beim Hörer nicht ganz so schnell zünden und die Experimentierfreude teilweise etwas zu viel des Guten ist. Allerdings ist das ebenfalls Teil seines kreativen Schaffens und gehört zum stilistischen Merkmal genau so dazu wie ein straighter, clubbiger Beat. Chapeau und weiter so!

Lieblingstrack: Leipzig

Bewertung: 9/10

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