16.10.2019

Rue Oberkampf - Christophe Philippe


Genre: Cold Wave, Synth Wave, EBM, Minimal Electro, Dark Techno
Release: 2019

Bei dem, in Deutschland geborenen, Christophe Philippe Oberkampf handelt es sich um einen französischen Tuchfabrikanten, welcher im 18. Jahrhundert in Paris sein Werk besaß. Der kreative Bandname Rue Oberkampf orientiert sich de fakto an eine nach ihm benannte Straße auf welcher heutzutage ein buntes Treiben herrscht. Hintergrund des Ganzen sind die deutsch-französischen Wurzeln von Sängerin Julia, die zusammen mit den beiden aus Passau stammenden Protagonisten Michael & Damien vor einigen Jahren die Band gründete. Das sympathische Trio lernte sich bereits vor vielen Jahren in einem örtlichen Club mit dem Namen "Camerá" kennen, wobei zwei von drei mittlerweile in München leben. Mit ihrem ersten Song "Le Train", einer Absolute Body Control-Covervariante zu "Melting Away", zeigten sie bereits Ende 2016 wohin die Reise gehen soll und offenbarten mit weiteren Songs immer größere Facetten ihres kreativen Handelns. Den Durchbruch erzielten sie allerdings mit ihrer 2018 veröffentlichten Debut-EP Waveclash, welche beim Label No Emb Blanc veröffentlicht wurde, sowie etlichen Live-Auftritten auf den angesagtesten Szene-Bühnen. Nach einem Wechsel zum renomierten Augsburger Label Young And Cold Records erfolgt nun ein Jahr später das Debut-Album mit dem passenden Titel Christophe Philippe. Darauf befinden sich acht neue Tracks sowie eine Remix-Variante von Dark Techno-Artist Björn Peng eines bereits auf Waveclash veröffentlichten Songs. Das Ganze erschien kürzlich mit einer Gesamtspieldauer von knapp vierzig Minuten und imposant-künstlerischer Cover-Optik sowohl digital als auch auf CD und wird demnächst ebenfalls als Vinyl erhältlich sein. Zeit der neuesten Auskopplung des Dreiergespanns ein genaueres Ohr zu schenken.

"Zero" startet zunächst mit schön weitläufigen Synth-Flächen und deutlich hervor stechenden Melodien, während einige weitere Elemente effektreich und Bass-lastig im Hintergrund verharren. Das Intro sorgt für eine atmosphärische Synth Wave-Einlage und enthält nachdenkliche Klangpassagen. Das Ganze klingt äußerst analog und mit einer Liebe fürs Detail behaftet.
Mit einem lang gezogenen MS20-Pad geht "La Course" nach kurzer Zeit des Zögerns mit einigen schleichenden Sequenzen und Reverb-lastigen Drum-Elementen sofort ans Eingemachte. Ein straight clubbiger Beat und sich gemächlich aufbäumende Synths sorgen in Kombination mit minimalistisch anmutenden Drums und Julia's bezaubernder Stimme für ein verträumtes Ambiente. Während des weiteren Song-Verlaufs variieren Klangfarbe und Tonalität, so dass der Track trotz minimalistischer Monotonie nicht fad oder langweilig wird. Eine tolle Nummer, die unter die Haut geht und einiges an Raffinessen aufweisen kann.
Darauf folgt mit "Tokyo" ein zunächst deutlich Bass-lastigerer Sound. Ein gemächlicher Beat sowie eine Effekt-behaftete Bassline werden mit französisch, leicht gesprochenen Gesängen und einigen experimentell verqueren Synth-Einlagen kombiniert. Im Fokus steht hier vor Allem das variationsreiche Arrangement sowie ein Wechselspiel aus Höhen und Tiefen. Die hier und da einsetzenden Facetten-reichen Tonalitäten ergänzen sich noch wunderbar in den Gesamtmix dieses ebenfalls verträumt und nachdenklichen Stücks mit ein.
"Glycine" sorgt zunächst mit einigen aggressiv anmutenden Sequenzen und straighten Club-Beats für ein ziemlich technoides Ambiente. Die französisch, wütend gesprochenen Vocals ergänzen sich ebenfalls passend zur kalten Stimmung hinzu. Die Dark Techno-Nummer stellt einen astreinen Floorstomper dar, der sich zusammensetzt aus minimalistischen Einlagen sowie dunklen Ansätzen. Der Song wirkt mystisch und sorgt für ein spannendes Gesamtbild.
Bei dem darauf folgenden "Kalt" handelt es sich um einen bereits im letzten Jahr entstandenen lupenreinen EBM-Track, der auf eine fette Bassline, genial inszenierte Drum-Elemente, spannende  Effekte, männliche Shouts und mysteriöse, weibliche Gesänge setzt. Der Track ist durchgehend ein Knaller und weiß von Anfang bis Ende auf seine eingängige Art und Weise zu überzeugen!
Auch "Es Versucht" hat mit einem kürzlich veröffentlichten Musikvideo sowie einigen Live-Darbietungen bereits seine Spuren bei den Fans hinterlassen und macht mit einer variationsreichen Hauptsequenz und dicken Drumbeats von Anfang an eine Menge her. Hier kommen vor Allem Oldschool EBM-Elemente im Stile von DAF in Kombination mit klassischem 1980er Jahre Wave zum Tragen. Die nachdenklichen Lyrics und unter die unter die Haut gehenden Gesangseinlagen von Julia tun noch ihr Übriges um diese faszinierende Nummer abzurunden.
Weiter geht es mit "Deine Worte" und einigen LFO-getriggerten Synth-Pads sowie schrillen Lead-Synths, die in Kombination mit einer coolen Bassline sowie groovigen Beats einen coolen Flow beinhalten. Julia's Vocals treten dabei mit leichtem Megaphon-Effekt in Erscheinung und wirken sehr eingängig. Bei diesem Stück handelt es sich um einen schönen Minimal Electro-Mix, der ein gewieftes Arrangement beinhaltet und nochmal ein komplett anderes Bild der Band zeigt.
Den eigentlichen Abschluß macht daraufhin noch die etwas aggressivere EBM-Nummer "Im Tunnel", welche eine technoide FM-Sequenz offenbart, dazu noch fette straight forward Drumbeats und, ähnlich wie bereits Kalt, auch hier wieder männliche Shouts mit zarten weiblichen Vocals kombiniert. Ein faszinierender Gesamtmix, der ebenfalls von Anfang bis Ende zu überzeugen weiß.
Fans können sich daraufhin noch auf die von Björn Peng interpretierte Dark Techno-Variante zu "Agitation" freuen, welche ebenfalls zu gefallen weiß.

Fazit:
Rue Oberkampf beweisen mit ihrem Debut-Album ein ums andere mal, dass für Julia, Michael & Damien nichts unmöglich zu sein scheint. Christophe Phillippe beinhaltet ein weites Spektrum an stilistischen Merkmalen und weiß mit jedem einzelnen Song zu überzeugen. Jeder Track auf diesem Album sprüht einen komplett eigenen, ganz besonderen Charme aus und liefert ein kreatives sowie eigensinniges Gesamtbild. Die Band beweist, dass sie sich in keine Schublade stecken lassen kann und liefert ein facettenreiches Meisterwerk, die sowohl Wave-, EBM, Minimal- als auch Techno-Herzen höher schlagen lassen kann. Interessant fällt ebenfalls auf, dass die erste Album-Hälfte größtenteils aus französisch gesungenen, während die zweite aus auf deutsch gesungenen Tracks besteht. Es wird schnell deutlich, dass das Trio jeden Song bis zur Perfektion ausgereift hat und von ihrem Studio & Label ebenfalls noch einen sauberen Feinschliff für die Endproduktion erhielt. Das Album ist ohne Zweifel eine der ganz großen Erscheinungen diesen Jahres und ein Pflichtkauf für jeden, der auch nur annähernd etwas von analoger Klangsynthese hält. Ein wunderschönes Gesamtkunstwerk, welches in keinem Plattenregal fehlen darf!

Lieblingstrack: La Course

Bewertung: 10/10

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