10.10.2019

Pro Patria - Executioner


Genre: EBM, Electro-Industrial
Release: 2019

Bei dem Projekt Pro Patria handelt es sich um ein Urgestein der belgischen EBM-Szene, welches nach jahrzehntelanger Abstinenz ebenfalls erst kürzlich mit einem überraschenden Comeback zurück kam. Das Projekt wurde 1988 von Peter Vercauteren (Künstlername: PVC) gegründet. Doch erst als Anfang der 1990er Bert Depuydt & Pierre Fonteyne hinzu kamen, nahm die Geschichte ihren Lauf. Die Band veröffentlichte bis 1997 mehrere namhafte Alben des zeitgemäßen, martialisch-technoiden EBM, welche stets eine düstere Note nach außen trugen. Zudem lag dem Projekt stets ein fascho- und religionskritischer Ansatz inne, welcher von manch einem Fan streckenweise leider (oder auch gewollt) falsch verstanden wurde. Darüber hinaus verkaufte sich der letzte Release Quod Erat Demonstrandum trotz wirklich guter Produktion sehr schlecht, was wohl auf einen zu jener Zeit nicht mehr zeitgemäßen Stil zurückzuführen war. Nachdem Bert daraufhin aus der Band trat, gab es bis 2002 noch einige Gigs mit Unterstützung von David Valée, bis dann tatsächlich irgendwann Schicht im Schacht war. Das Projekt löste sich auf. 2017 gab es auf dem Familientreffen in Sandersleben ein überraschendes Comeback, welches PVC dazu motivierte zurück ins Studio zu gehen und mit Back To Basics ein deutlich moderneres Album zwanzig Jahre nach dem letzten Release an den Tag zu legen. Der Vertrieb geschieht nach wie vor unter eigener Hand und Anfragen für weitere Gigs gab es ebenfalls. Mit Executioner erschien kürzlich ein weiteres Album, welches in Anbetracht der düsteren Cover-Optik sowie den depressiv anmutenden Song-Titel darauf deutet, dass das Projekt nach wie vor seinem Stil treu bleibt. Das Album beinhaltet elf neue Songs mit einer Gesamt-Spieldauer von ca. einer Stunde und wurde abermals unter dem hauseigenen Label veröffentlicht. Zeit sich mal wieder eine volle Ladung PVC zu Gemüte zu führen.

Es geht los mit "In Your Face" und zunächst düsteren Sound-Effekten, bis nach kurzer Zeit eine schroffe Lead-Sequenz sowie Bass-lastige Ansätze den Track treibend nach vorne jagen. Diese werden begleitet von dunklen, röchelnden Vocals und einem komplexen Drum-Arrangement. Weitere Synth-Melodien runden den Gesamtmix melancholisch ab. Das Ganze erinnert in seiner dargebotenen Form etwas an Cat Rapes Dog und vermischt Oldschool Techno-Ansätze mit Electro-Industrial und roughen EBM Shouts. Cooler und tiefgreifender Einstieg.
Daraufhin folgen mit "I Watched You Die" einige dezente Alarm-Signale sowie impulsive Hi Hats. Diese werden überschattet von einem interessanten Sequenz-Gemisch sowie einer überraschenden Kombination unterschiedlicher Klangfacetten. Die Drums kommen dick und die Vocals sind klar verständlich. Der Track ist sehr experimentierfreudig und erinnert in seiner dargebotenen Form an nordamerikanischen Post-Industrial á la Front Line Assembly & Cubanate. Auch die Leads im Refrain setzen gut an, allerdings tritt der Mix streckenweise doch recht verquer in Erscheinung.
Auch "No More" setzt zunächst recht Hat-lastig in Kombination mit abrupten Oldschool-Sequenzen an. Ein schnelles Tempo sowie diverse Breakbeats sorgen für einen relativ modernen Unterton dieses Songs. Die Vocals kommen Reverb-lastig röchelnd zur Geltung und ergänzen sich gut in den Gesamtmix mit ein. Einige verschrobene Leads gesellen sich im Refrain noch hinzu, während der Track immer weiter Fahrt aufnimmt. Ein Track welcher ein gelungenes Spagat zwischen moderner Klangvielfalt und treibenden Oldschool-Beats zur Geltung bringt.
Der gleichnamige Albumtrack beginnt zunächst mit ambienten Flächen und einigen Sound Samples, welche allesamt ein paar imposante Effekte aufgelegt bekamen. Dunkle Bass-Synths und ein straighter Club-Beat arrangieren diesen Song Stück für Stück und bauen ihn so weiter aus. Als zusätzlich noch tonal schön inszenierte FM-Sequenzen sowie gelungene Vocals hinzu stoßen ist der Gesamtmix perfekt. Eine ordentliche Oldschool Electro-Industrial-Nummer, welche von Anfang bis Ende zu gefallen weiß und ebenso anspruchsvolle Lyrics zur Geltung bringt.
"Failure's Not An Option" besitzt einen kritischen Unterton und legt mit technoiden Sequenzen sowie pulsierenden Bass-Synths nach. Die Drums sind komplex inszeniert und werden gekonnt ins Arrangement mit hinein integriert. Gesanglich ist das Ganze ebenfalls stark inszeniert und liefert eine dunkle, voluminöse Grundstimmung. Ein wirklich gelungener Track, der eine hohe Spannweite nach sich zieht.
Mit minimalistischen Lead-Sequenzen und stark detuneten Melodie-Ansätzen geht es weiter mit "It's Too Late" und bringt ein recht verspieltes Arrangement zum Besten. Hier überlagern sich tonal unterschiedliche Facetten, welche ergänzt werden durch rauhe Vocal-Einlagen sowie komplexe Beats. Nachhallende Synth-Pads sorgen zwischenzeitlich für ein wenig Abwechslung. Eigensinnig und interessant.
Nach dieser eher ruhigeren Nummer geht es mit "Timeless Body" deutlich schneller und hochtöniger zur Sache. Mit minimalistischen Sequenzen und puristischen Beats, jedoch vollen Sawtooth Pads geht dieser Track von Beginn an ans Eingemachte. Die Shouts wurden ebenfalls stark in Szene gesetzt und sorgen dafür, dass diese EBM-Nummer von Anfang an zu gefallen weiß. Schön aufbereitet und gekonnt in Szene gesetzt das Ganze.
"Into The Deep" verfolgt einen deutlich düsteren Ansatz und legt mit kräftigen, nachhallenden Bass-Elementen sowie bedrohlicher Sequenz-Struktur nach. Zudem sorgen harte Shouts und impulsive Leads noch dazu, dass die Atmosphäre verstärkt wird. Die Drumbeats kommen straight und klar zur Geltung und runden diese fette Dark EBM-Nummer ab. Erinnert deutlich an Frühwerke des Projekts und beinhaltet noch eine dicke Portion Evils Toy.
Auch mit "Tear It Off!" bleibt es düster und treibend. Clubbige Beats und tonal schön sitzende Bass-Sequenzen sorgen in Kombination mit harten Shouts sowie technoiden Sequenzen für eine eingängige EBM-Nummer. Die komplexe Sound-Struktur sorgt noch zusätzlich für die nötige Abwechslung über den gesamten Track-Verlauf. Schönes Teil von Anfang bis Ende.
Atmosphärisch wird es zu Beginn von "The Insignificance Of Time". Nach einigen Klangflächen und Synth Pop-lastigen Sequenz-Einlagen sorgen straighte Drumbeats und Hi Hat-Spielereien für eine recht treibende und modern klingende Nummer. Die Vocals sind leicht verzerrt und werden von starken Effekten überlagert. Eine recht eigensinnige Nummer, welche durchaus eine kreative Umsetzung erfahren hat und sich etwas von vorherigen Tracks abgrenzt.
Der Abschluss dieses wirklich gelungenen Albums findet sich mit dem traurig anmutenden Titel "Death Of A Friend". Dieser beginnt zunächst mit atmosphärischen Effektgeräuschen und setzt weiter an mit langsamen Synth-Klängen und epochal wirkenden Violin-Pads. Der Track bäumt sich streckenweise immer weiter auf indem zusätzliche Synth-Elemente und hochtönige Leads sich dazu ergänzen. Gesanglich kommt alles recht klar rüber, wirkt jedoch auch etwas dünn. Eine gewisse Trauer liegt dem Ganzen jedoch deutlich zu Grunde.

Fazit:
Peter Vercauteren beweist mit seinem zweiten Comeback-Album, dass er wirklich verdammt kreativ ist und macht einiges besser wie beim Vorgänger Back To Basics. Das Album erinnert stark an einige Frühwerke von Pro Patria, besitzt jedoch auch überraschende Oldschool Electro-Industrial-Ansätze die mit Projekten wie Evils Toy & Front Line Assembly vergleichbar sind. Die 1990er kommen hier wirklich stark zur Geltung, werden jedoch auch mit einigen modernen Elementen vermischt. Vor Allem bei den aggressiveren Nummern sind Anlehnungen an Cat Rapes Dog oder auch Paranoid recht nahe. Executioner ist inhaltlich ein wirklich vielfältiges Album, welches ebenfalls seine Eigenheiten besitzt und sich auch nicht lumpen lässt das ein oder andere zu wagen. Letzteres kann man jedoch streckenweise auch als Kritikpunkt betrachten, denn in seiner Komplexität geht die Harmonie teilweise etwas flöten. Ebenso ähneln sich viele Tracks in ihrem Arrangement schon ziemlich stark und lassen etwas Abwechslung vermissen. Nichts desto trotz ist es ein wirklich gelungenes neues Album des belgischen Urgesteins!

Lieblingstrack: Into The Deep

Bewertung: 9/10

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