10.12.2019

Heavy Water Factory ‎– Spillage


Genre: Electro-Industrial, Dark Techno, IDM, Synth Pop, Dark Ambient, Dark Electro
Release: 2019

Dass Künstler nach über zwanzig Jahren der Abstinenz ein nochmaliges Comeback wagen, scheint wohl ein allgemeiner Trend zu sein. So auch der US-Amerikaner Jesse James McClear der sein komplexes, elektronisches Musik-Projekt Heavy Water Factory vor genau fünfundzwanzig Jahren gründete und damit seiner Zeit bereits voraus war. Das experimentelle Projekt hatte stets die Intension Ambient-Klänge mit Electro-Industrial- sowie Techno-Elemente zu kombinieren um so einen eigenwilligen Sound zu formen. Bis Ende der 1990er war Jesse James aktiv und veröffentlichte dabei insgesamt vier Studio-Alben und trat desöfteren auch mal Live zusammen mit William West & Scott Hixon auf. Daraufhin verschwand das Projekt spurlos und es konnten sich nur noch eingefleischte Fans daran zurück erinnern. Ohne Vorwarnung erschien nun kürzlich das fünfte Studio-Album Spillage unter eigener Hand und rein digital, so dass Fans überaus entzückt darüber sein dürften. Die Zeit scheint auch keine bessere dafür zu sein, denn vor Allem heut zu Tage erfahren komplexe Electro-Industrial-Klänge wieder einen größeren Trend. Das Album selbst beinhaltet dreizehn neue Tracks mit einer Gesamtspiellänge von fünfundvierzig Minuten und weist ein futuristisch gestaltetes Cover auf. Eine Menge Gründe sich das Ganze also mal genauer anzuhören.

Es geht los mit atmosphärischen Klangflächen und sanftmütigen Piano-Tönen innerhalb des Tracks "Anything For You". Vereinzelte Glitches, experimentelle Noise-Laute und liebevoll gestaltete Sequenzen vermengen sich zu einem eindrucksvollen Klangbild. Doch nach kurzer Zeit kommt ein ziemlich schriller und energischer Beat zum Tragen, so dass diese Nummer explosionsartig zu einer wahren Techno Granate wird. Das kommt etwas überraschend, macht jedoch einen kreativen Eindruck. Das Ganze erinnert an eine futuristische Mischung aus Front Line Assembly & Terminal State.
"Never Know" setzt an mit leicht übersteuerten Sequenzen und schrillen Bass-Synths, während seichte Synth Pop-Gesänge für den Track ein weiteres Bindeglied darstellen. Ein kräftiger tanzbarer Beat sowie einige verspielte Synth-Sequenzen bilden den Grundbestandteil dieses reizüberflutenden Songs. Hier vermengen sich eine Menge Klangeindrücke, die streckenweise gar etwas zu viel des Guten sind.
Daraufhin folgt "Reaktif" mit äußerst coolen, clubbigen Drumbeats sowie einer treibenden Bassline. Im Hintergrund sorgen noch einige Glitches und experimentelle Effekte für eine belebt technoide Atmosphäre. Hinzu runden ambiente Piano-Spielereien und ein sich aufbäumendes Arrangement die gesamte Nummer ab. Ein sehr schöner Track, welcher durch Abwechslung sowie dunklen Klängen zu überzeugen weiß!
Weiter geht es mit dem deutlich ambienteren "Disappearing Act", welcher durch Piano-Klänge und einigen Percussion-Elementen sowie seichte Reverb-lastige Gesangsanteile für eine ruhige Atmosphäre sorgt. Hier laufen wieder eine Menge Einflüsse und Elemente dazu bei, dass dieser Track nach und nach an Volumen gewinnt und ein ausgeklügeltes Arrangement aufweist. Zur Mitte hin wandelt sich alles jedoch wieder vermehrt in eine technoidere Struktur um, was einen interessanten Stilbruch darstellt.
Mit schrillen Klängen und stumpfen Beats macht daraufhin "We Good Enough" weiter. Die Tonalität wirkt hier leicht verquer und es werden eine Menge experimentelle Spielereien kombiniert. Einzeln einsetzende Bass-Synths sowie Stereo-Effekte sorgen für einige eigensinnige Strukturen. Interessanterweise scheint jedoch je weiter sich der Song entwickelt alles immer harmonischer zusammen zu wirken. Ein Track auf den man sich einlassen muss, um ihn zu begreifen.
Mit Bass-Effekten geht es auch mit der Dark Techno-Nummer "Beyond Doubt" weiter. Diese treibt zunächst leicht quietschend und monoton vor sich hin, wird umgarnt von dunkel röchelnden Vocals sowie einigen sequenziellen Spielereien. Ebenfalls eine ziemlich Maschinen-lastige Nummer, die sich an unterschiedliche Einflüsse elektronischer Klanggestaltung orientiert.
Bei "As It Was" handelt es sich um eine abermals eher Glitch-lastige und tonal verspielte Nummer, die sich zunächst aus einem komplexen und nicht immer harmonierenden Konstrukt zusammensetzt und bei welcher immer verstörendere Töne ineinander wirken. Etwas schwer verdaulich das Ganze, jedoch relativ kreativ zur Geltung gebracht.
Mit dem eigenartigen Titel "I'm Captain Effing Ahab" geht es weiter mit einigen Breakbeats, leicht verzerrten dunklen Vocals und äußerst überzeugenden Bass-Synths. Auf diese Art hat der Track schon vermehrt etwas Dark Electro-lastiges und erinnert an Künstler wie Skinny Puppy & Fix8:Sed8. Außer den verstörend technoiden Lead-Synths zur Mitte gibt es bei diesem Track nur wenig was stört und alles wirkt gekonnt ineinander laufend. Cooler Track!
"Amandava" ist von Beginn an äußerst Reverb-lastig, was sich sowohl in den sich aufbäumenden Sequenzen als auch den dumpfen Drum-Beats wieder spiegelt. Auch hier wird nicht mit Effekten gegeizt und so erfährt die komplette Nummer eine Vielzahl unterschiedlicher Glitches und Noise-Elemente, während sanftmütige Synth-Pads im Hintergrund verhallen. Das Ganze ist gut kombiniert und zusammen gesetzt und schafft ein einheitlich atmosphärisches Sound-Spektrum.
"Irradiance" weiß daraufhin von Beginn an zu überzeugen indem imposante Drum'n Bass Beats mit ambient sanfmütigen Piano-Klängen sowie ausgewieften Synth-Effekten kombiniert werden. Auch die leichten weiblichen Vocals im Hintergrund wissen zu gefallen und sich gut in den Gesamt-Mix zu integrieren. Sehr coole Nummer zwischen IDM, Drum'n Bass und Electro-Industrial, welche von Anfang bis Ende zu überzeugen weiß!
Bei der nächsten Nummer ist dem Künstler wohl kein Titel eingefallen. Hier hat man es wieder mit einem deutlich verquereren Track zu tun bei dem es einem auch schwer fällt ein einheitliches Klangbild zu erkennen. So wundert es nicht, dass dieser Track titellos geblieben ist. Zur Mitte hin können jedoch eine Kombination aus schönen Pads in Verindung mit melodischen Leads überzeugen.
Auch bei "The Lowest" wird es wieder extrem experimentell, es wird jedoch ein sehr düsteres Klangbild aufgefahren während brachiale Vocals und Lead-Synths nach vorne dreschen. Eine etwas destruktive Nummer, die streckenweise sogar etwas von Nine Inch Nails hat. Nicht schlecht, aber recht gewöhnungsbedürftig.
Mit "This Was Your Idea" endet dieser relativ krasse Trip unterschiedlicher Klangelemente auch mit einer sehr ambienten und orchestralen Nummer, bei welcher Violin-Samples, effektbehaftete Glitches und ein angenehmes Klangbild den Wagen zum Ziel fahren.

Fazit:
Eins muss man dem Künstler lassen: Mit dem hier vorliegenden Album traut er sich wirklich mal etwas komplett anderes zu wagen. Heavy Water Factory liefert hier ein Compilation-artiges Gesamtwerk, auf welchem jeder Track mit einem anderen Genre auffährt und eine eigensinnige Struktur besitzt. Jedoch ist streckenweise genau das auch das Problem an Spillage. Dem Hörer wird es schwer gemacht sich auf eine bestimmte Richtung einzulassen und ein Verständnis zum Gesamtwerk zu bekommen. Vereinzelte Tracks liefern für jeden etwas und es sind sogar eine Menge Schnittmengen wieder zu finden. Jedoch gibt es ebenfalls sehr viel verqueres und schwer verdauliches zu hören mit dem sich wohl auch nicht ein jeder anfreunden wird. Dass Jesse James McClear in der Lage ist komplexe Sound-Strukturen in einem undurchschaubarem Arrangement harmonisch zu verbinden, steht jedoch außer Frage. Die eigene Intension bleibt aber streckenweise ein Rätsel. Wer aber nicht abgeneigt ist mal "etwas anderes" zu hören, kann sich dieses Album gerne mal zu Gemüte führen.

Lieblingstrack: Irradiance

Bewertung: 6(,5)/10

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