Genre: Electro, Industrial
Release: 2020
Auch wenn man bei einem Projekt mit dem Namen Der Wolfsmensch zunächst denkt, es könne sich um eine deutsche Horrorpunk-Band handeln, so handelt es sich hier in erster Linie um einen kanadischen Solo-Künstler, der alles andere als ein Unbekannter ist. Alles fing Mitte der 1990er mit einer futuristischen Electro-Formation Namens Decoded Feedback an, hinter der das kanadische Duo Yone Dudas & Marco Biagotti standen. Letzterer fiel vor Allem durch seine exzentrische Haarpracht auf und konnte mit DF eine Menge Erfolge verbuchen. Der Italienisch-stämmige Kanadier trennte sich jedoch vor einigen Jahren von seinem Erfolgs-Projekt und bestreitet seitdem eigene Wege unter Eingangs genanntem Projektnamen. Optisch mutet dieser schon deutlich wie ein Psychobilly/Horrorpunk-Artist an, so dass Der Wolfsmensch kein schlecht gewählter Name ist. Warum jedoch die deutsche Sprache zur Projektbezeichnung gewählt wurde, scheint wohl ein Insider zu sein. Das gleichnamige Album ist auch bereits das dritte Album dieses Projekts und wurde abermals rein digital unter eigener Hand veröffentlicht. Darauf befinden sich neun neue Tracks mit einer üppigen Gesamtspieltzeit von etwas über fünfzig Minuten. Das Cover-Artwork erfuhr ein schönes Design und so bekommt man natürlich Lust sich das Ganze mal näher zu Gemüte zu führen.
Den Anfang macht ein Titel Namens "Amroth" mit einigen dunkel gesprochenen Vocals, die langsam den komplex anmutenden Track einleiten, welcher sich aus glitchigen Effekten, Drum'n Bass-Einlagen und Industrial-mäßigen Geräuschkulissen zusammensetzt. Die Beats dröhnen hier etwas durch und drücken dadurch den Gesamtmix weg. Recht experimentell muten hier und da weitere Klänge an. Netter Einstieg, welcher jedoch auch etwas unausgegohren wirkt.
Mit "Birth Defect" schwurbeln düstere Bass-Klänge hoch, während neben Wolfsgeheul auch einige zischende Laser-artige Beat-Effekte durchdringen. Zudem bekommt der Hörer noch einige schrille Synth-Einlagen und verspielt orchestrale Elemente zu hören. Das erinnert etwas an frühe Laibach-Songs und sorgt für klangliche Verwirrung. Nicht gerade leichte Kost.
"Blood Birth" setzt mit dumpfen Synth-Klängen und experimentellen Effekten im starken Reverb-Mantel weiter an. Die Geräuschkulisse bleibt hier abermals recht zerstreut und verwirrend und spannt so den Hörer auf gemächliche Weise über lange Zeit auf die Folter. Das Arrangement baut sich stückweise auf, so dass man im weiteren Verlauf langsam Zugang dazu finden könnte. Der Track bleibt jedoch durchgehend eigensinnig.
Mit "Granular Haze" wird es zu Beginn angenehm wavig. Schöne Synth-Pads und Delay-behaftete Drum-Beats sorgen in Tribal-artigem Tempo für ein neo-futuristisches Gesamtbild. Die Melodien kommen gut und das Ganze mutet in seinem Arrangement wie ein recht gelungener Live-Mix an. Auch die Industrial-lastigen Effekte sitzen und der Track macht es dem Hörer deutlich angenehmer hinein zu finden!
Glitchig und Sci-Fi-lastig wird es sogleich mit "Komfort Zone". Die Synth-Sequenzen muten relativ hochtönig und schrill an, während einige Lead-Melodien im Hintergrund versinken. Die Bass-Anteile überlagern sich eher schwach zum restlichen Track und die Drums wirken mühselig inszeniert. Alles in Allem ein eher anstrengender Song, der vor Allem einen besseren Mix vertragen könnte.
Mit "Morpheus Revenge" wird es daraufhin relativ ambient und atmosphärisch. Neben einigen Vocal-Samples bekommt der Hörer Delay-behaftete Effekte sowie stark nachhallende Atmosphere Pads zu hören. Ein Track auf den man sich durchgehend einlassen muss um ihn zu erleben. Das Downtempo-Gewand steht dem Projekt jedoch relativ gut und das Ganze entwickelt sich zu keiner schlechten Nummer.
"Nightmare Lodge" setzt weiter an mit verspielten Klängen, sanften Tönen und zischenden Effekten. Im Hintergrund schleicht sich eine leicht EBM-lastige Bassline heran, während orchestrale Flächen den Track epochaler gestalten lassen wollen. Die Nummer regt über die Dauer die Spannung stückweise an und ergänzt immer weiter imposante Elemente hinzu. Das Ganze klingt äußerst Bass-lastig und weiß durch sein ausgeklügeltes Arrangement zu gefallen.
Daraufhin sorgt "Nightwound" für ein vermehrt glitchiges Erlebnis. Hier laufen unterschiedliche Klangfacetten ineinander und sorgen durch verschrobene Art und Weise für eine nicht wirklich zuordbare Nummer. Wobei der Drum'n Bass-Anteil zugegebenermaßen am stärksten Einzug findet. Der Track ist an sich ganz cool, jedoch ebenfalls etwas unausgereift.
Den Abschluß macht noch "Robotikom" mit einer überaus technoiden Nummer. Hier sorgen zunächst Industrial-lastige Geräusche, experimentelle Sequenzen, düstere Pads und sich zurückhaltende Drums für ein interessantes Sci-Fi-Gemisch. Ganz nett, aber auch nicht besonders eindrucksvoll.
Fazit:
Man hört bei dem dritten und gleichnamigen Album von Der Wolfsmensch deutlich heraus, dass der Künstler Spaß und Interesse an experimenteller und verquerer Klanggestaltung hatte. Alle auf diesem Album befindlichen Tracks klingen als wären sie im Studio durch Improvisation an Maschinen grob aufgenommen und nicht weiter nachbearbeitet worden. Dies hat im Prinzip auch durchaus seine Daseinsberechtigung, doch macht Marco Biagotti es dem Hörer hier wirklich nicht leicht Zugang zu diesem Album zu finden. Viele der Tracks wirken als wären sie künstlich in die Länge gezogen worden, haben einen eher schwachen Gesamtmix erfahren und sind über weite Strecken ziemlich atonal. Ebenfalls hätten diverse Vocals dem Ganzen auch recht gut getan. Nichts desto trotz ist dem Künstler ein gewisser Kreativgeist und das Interesse an Facettenreichtum anzurechnen. Es handelt sich hierbei um ein Liebhaber-Album für Synth-Fetischist, wer jedoch tanzbare und klanghafte Tracks sucht ist hier fehl am Platz.
Lieblingstrack: Granular Haze
Bewertung: 6/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen