25.05.2020

Precision Field ‎– Love & Debauchery


Genre: Dark Electro, Industrial
Release: 2020
Homepage: https://www.facebook.com/aliensatemybaby/

Die im letzten Jahrzehnt wieder populär gewordene Dark Electro-Bewegung findet auch heut zu Tage noch neue Künstler, welche aus dem Nichts des Undergrounds hervor stechen und immer wieder für eine Überraschung sorgen. Bei Precision Field handelt es sich um ein Projekt aus Nordamerika hinter dem der Künstler Hobart Blankenburg steckt und laut Angabe dieses bereits Ende der 1990er gegründet hat. Interessanterweise wurden erste Releases jedoch erst zur Mitte des letzten Jahrzehnts veröffentlicht und fanden aktuell nur wenig Beachtung. Mit Love & Debauchery erschien nun kürzlich unter dem Hauseigenen Label No Entrance Studio das zweite Album und fand bereits auch hier zu Lande eine große Verbreitungswelle. Die Inspirationsquellen klingen darüber hinaus überaus cineastisch und interessant, orientiert sich der Künstler doch an Comics, Horror & Sci-Fi-Stories, was vor Allem innerhalb der Szene ein breites Publikumsspektrum anspricht. Bands wie Skinny Puppy & Dead When I Found Her werden als Haupteinflüsse genannt und Themen wie Leben, Tod und Spiritualität als inhaltliche Felder. All dies zusammengefasst regt auf jeden Fall ein großes Interesse an und sorgt dafür, dass sich der geneigte Hörer gerne mit dem Album und den zwölf darauf befindlichen Tracks auseinander setzen möchte. Das Album ist mit einer Gesamtlänge von fast siebzig Minuten überaus dicht gepackt und die darauf befindlichen Songs weisen alle eine üppige Länge auf. Zeit das Ganze mal genauer unter die Lupe zu nehmen!

Zunächst geht es recht düster und unheimlich mit einem Intro-Titel Namens "Necrophilie" los, welcher in erster Linie aus creepy Effekten, atmosphärischen Klangelementen und einigen Sprachsamples besteht. Das Ganze ist sehr intensiv und verquer gestaltet und regt auf jeden Fall die Spannung an.
Mit "Fiend" als eigentlich erster Song setzen zunächst klassische Synth-Sequenzen und schrille Glitch-Elemente an. Diese werden begleitet von brachial erscheinenden Drum-Samples und noisigen Effekten. Spannende Stereo-Effekte sowie eine düstere Bassline werden kombiniert mit stark verzerrten Vocals! Der Song ist komplex aufgebaut und verstärkt auch durch eigensinnige Chor-Pads die überaus unheimliche Atmosphäre. Ein ziemlich imposanter Einstieg und definitiv nichts für zart beseitete Gemüter!
Daraufhin sorgen noisige Synth-Elemente und verquere Sprachsamples bei dem Track "Buried Alive" für eine abermals düstere Atmosphäre. Hier kommen zusätzlich starke Industrial-Einflüsse hinzu, die etwas an Frühwerke von Throbbing Gristle erinnern. Eine monotone und dunkle Bassline pirscht sich darüber hinaus im Stereo-Gewand von einer Seite zur Anderen heran, während vermehrt Effekte für eine beklemmende Atmosphäre sorgen. Sterckenweise wird noch mit einigen Flächen und Leads experimentiert, was den Hörer zunehmend in den Bann zieht.
"Thought Parasite" beginnt äußerst Bass-lastig mit einer bedrohlichen FM-Bassline, verzerrten Vocals und weiteren überaus glitchigen Effekten, welche komplex ineinander übergehen. Neben experimentellen Percussion-Elementen und einigen dicken Drums kommt hier vor Allem ein Tonalitätswechsel in Form von sich eingliedernde Leads und zusätzlichen Synth-Elementen hinzu. Das Tempo bleibt relativ moderat und die komplexen Strukturen sind dennoch schwer greifbar. Das Ganze klingt jedoch äußerst harmonisch und bedarf ein Ohr des detaillierten Zuhörens.
Der darauf folgende "Hitchhiker" ist eine verstörende Nummer, die extrem stark mit Glitches und verqueren Effekten spielt. Das erinnert in seiner Form stark an Aphex Twin und spannt den Hörer über lange Zeit auf die Folter. Zur Mitte hin versucht sich der Track durch einige Drumbeats etwas in Struktur, bleibt jedoch weiterhin seiner verqueren Natur treu. Die einsetzende Bassline kommt jedoch in Kombination mit den Bell-Synths ziemlich cool zur Geltung! Die Vocals sind hier überraschend clean eingesungen, gliedern sich jedoch ziemlich gut in den Gesamtmix ein.
"Fraternal Instinct" setzt zunächst hauptsächlich auf mit Stereo-Effekten versehene Sprachsamples und einer sich langsam anschleichenden, orchestralen Synthfläche. Drums setzen gemächlich an, während einige hochtönige Synth-Sequenzen für eine melancholische Atmosphäre sorgen. Dies wird durch weitere Sequenz-Überlagerungen und minimalistisch anmutende Synth-Elemente weiter verstärkt. Ein überaus schwerer und tiefgreifender Track, der für eine verträumte Stimmung sorgt und sich dadurch auch von vorherigen Ansätzen unterscheidet.
"Captivity" beginnt mit verzerrten Klangspielereien und düsteren, im Hintergrund verhallenden, Effekten. Der Track mutet zunächst äußerst destruktiv an und benötigt etwas Anlaufzeit. Wenn dies erledigt ist, steht im Vordergrund eine monoton eingängige Sequenz und Horror-lastige Klangflächen sowie weitere Glitches und Effekte. Der Track bleibt durchgehend verstörend, lässt jedoch ab der Hälfte vermehrt einige Strukturen zu. Das Ganze erinnert, vor Allem in Anbetracht der Vocals, stark an Skinny Puppy und liefert einen interessanten Gesamtmix.
Der nächste Titel "Strangler" ist mit über acht Minuten auch der längste auf diesem Album und setzt zunächst auf mittlerweile vertraut erscheinende Effekte sowie im Hintergrund verhallende Drum- und Synth-Elemente. Diese kommen im weiteren Verlauf immer mehr zum Vorschein und liefern ein eingängiges, strukturiertes Gesamtbild mit abermals verzerrten Vocals sowie einigen überraschenden Klangeinlagen. Das Ganze erinnert etwas an Psyclon Nine, jedoch mit komplett eigenem Einflussanteil.
Darauf folgen mit "House Of Horrors"  weitere stark verschrobene Effekte und Modulations-Spielereien, während Sprachsamples das Ganze musikalisch untermalen. Der Track sorgt dafür, dass man erneut lange braucht um diesen zu begreifen und zu verstehen wie der komplexe Gesamtmix ineinander wirkt und übergeht. Es fällt einem jedoch generell schwer Zugang zu diesem Soundgemisch zu finden.
"Fright" sorgt durch eine langgezogene Fläche und einigen Natur-behafteten Effekten für eine eher ruhigere Atmosphäre auf die man sich gerne einlässt. Zudem zischt und schrillt es wieder aus verschiedenen Geräuschpunkten und gestaltet auf eindrucksvolle Art und Weise eine Horror-lastige Atmosphäre, was auch den eigensinnigen Vocals zu verdanken ist.
Darauf folgt mit "Blood Sigil" durch orchestrale Geräuscheffekte sowie eine zur Abwechslung klaren Drum-Struktur und eingängigen Synth-Sequenzen. Die Vocals kommen stark und auch die Effekte wissen hier richtig gut zu überzeugen. Der Track schlägt von Beginn an gut ein und weiß in seinem kompletten Arrangement deutlich besser zu überzeugen als vorherige Titel. Die tonal abwechslungsreiche Gestaltung der gut ineinander übergehenden Sequenzen sowie der Variationsreichtum in Anbetracht des Gesang sind überaus gelungen.
Der gleichnamige Albumtitel macht daraufhin den Abschluß und setzt erneut auf düstere atmosphärische Effekte und Sprachsamples, die diese verstärken. Eine gemächliche Bassline sowie ebenfalls langsam in Erscheinung tretende Drums sorgen für einen leichten Oldschool EBM-Ansatz und liefern eine zum Vergleich des restlichen Albums erfrischend andersartige Nummer. Die Effekte und das Timing kommen gut und auch der Gesang weiß überaus gelungen zur Geltung zu kommen. Das Beste kommt eben doch zum Schluß!

Fazit:
Der Künstler Hobart Blankenburg liefert mit seinem Projekt Precision Field ein überaus kreatives, jedoch ebenso schwer zugängliches, zweites Album ab. Love & Debauchery ist alles andere als leichte Kost und findet in seiner Gestaltung am Ende wahrscheinlich nur ein Nischen-Dasein. Die Songs sind allesamt komplex strukturiert und streckenweise von unhörbarer Effekt-Hascherei beseelt. Nur wenige Tracks gehen wirklich gut ins Ohr und als geneigter Hörer fühlt man sich mit der Menge an klanglichem Variationsreichtum schlicht etwas überfordert. Der Gesamtmix ist jedoch ziemlich gut und auch die einsetzenden Vocals wissen zu überzeugen. Hier finden viele Einflüsse von Skinny Puppy über Aphex Twin als auch Throbbing Gristle Einzug und sorgen so für ein Spagat-Album zwischen nachdenklich komplexem Dark Electro und stark verzerrtem Industrial. Leider kommt es auch vor, dass ziemlich oft mit recht ähnlichen Glitch-Effekten hantiert wird, was streckenweise auf den Hörer anstrengend sein könnte. Freunde von eigensinnigen und verstörenden Klängen können hier gerne mal hinein hören. Alle die eher leichte Kost bevorzugen, sollten jedoch die Finger davon lassen.

Lieblingstrack: Blood Sigil

Bewertung: 7/10

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