14.05.2020

KREIGN ‎– KREIGN



Genre: EBM, Industrial, Harsh Electro
Release: 2020

Es dürfte mittlerweile vielen Szene-Gängern bekannt sein, dass purer EBM immer mehr zu einem aussterbenden Genre gehört und neue Bands dieser Stilrichtung immer seltener werden. Was in den 1980ern seinen ersten Aufschwung hatte, in den 1990ern verblasste und in den 2000ern wieder frischen Wind bekam, ließ in den 2010ern hauptsächlich eine Menge Comebacks erleben. Vor Allem Newcomer, welche eher die härtere Gangart bevorzugen, tun sich in dieser mittlerweile altgediegenen musikalischen Stilrichtung immer schwerer. Nichts desto trotz taucht hier und auch immer mal wieder ein kleiner Stern auf und das heut zu Tage kontinentalunabhängig. Aus Phoenix, Arizona, in den Vereinigten Staaten stammt das EBM-Projekt Kreign, dessen Protagonisten sich, wie auf dem Cover ersichtlich, eher vermummt präsentieren. Dennoch sind mit Christian Austin & Ryan Hutman die Namen durchaus geläufig und dabei handelt es sich um keine Unbekannten. In den 2000ern sorgte nämlich ein Projekt Namens Hardwire für Aufsehen, dessen Stilrichtung als Electro Rock / Industrial Metal bezeichnet werden kann und auf diese Art und Weise in die Fußstapfen von KMDFM, Ministry & Die Krupps trat. Bei den beiden Künstler hinter Kreign handelt es sich um eben zwei von vier Hardwire-Mitgliedern, welche dem Anschein nach mal etwas Neues und rein elektronisches auf die Beine stellen wollten. Das ist ihnen in dieser Form auch durchaus gelungen, denn ohne Label veröffentlichte das Duo kürzlich digital ein gleichnamiges Debut-Album mit zehn neuen Tracks und knapp vierzig Minuten Spielzeit. Eins darf gewiss sein: Es wird hart zur Sache gehen! 

Den Anfang macht ein Titel Namens "Shit Storm", der schon ziemlich zeitgemäß klingt. Dieser startet mit einer typisch bedrohlichen EBM Bassline und legt nach einigen ausschweifenden Effekten mit straighten Beats nach. Die Shouts kommen rauh und etwas röchelnd zur Geltung, so dass sich diese auch gut ins Harsh Electro Genre eingliedern könnten. Der Track nimmt durch Geschwindigkeitserhöhung in Bezug auf die Lead-Sequenz immer weiter Fahrt auf und überrascht mit weiteren unterhaltsamen Effekten. Eine ziemlich coole Nummer, die gleich zu Beginn eine ordentliche Menge Energie raus pumpt, auch wenn das Mixing hier etwas ausgereifter sein könnte, denn die Hauptsequenz trägt doch etwas dünn auf.
Mit eher quäkenden Synth-Klängen sowie einfach gestrickten Beats legt "Disco King" nach. Die Vocals kommen hier düster gesprochen zur Geltung und weitere zischende Leads gliedern sich in den Gesamtmix ein. Die Drums gehen leider etwas unter und die Sequenz wirkt streckenweise leicht penetrant. Überzeugend wirkt jedoch das abwechslungsreiche Arrangement und die verspielten Etappen. Dennoch eine eher schwächere Nummer, die nicht sonderlich überzeugen kann.
Industrial-lastiger wird es zu Beginn von "Lost Purpose", denn hier geben eine ziemlich schnelle Sequenz sowie zurückhaltende Effekte den Ton an. Nach der Intro-Phase entfaltet sich die Nummer jedoch zu einem astreinen EBM-Track mit cooler Bassline, dicken Drumloops sowie schroffen Shouts. Einzig die quietschenden Lead-Synths tragen wieder etwas zu dick auf, jedoch wirkt das mittlerweile wie ein typisches Stilmittel dieses Projekts.
"5 Layers Of Chaos" macht mit einer bedrohlichen EBM-Sequenz im klassisch schwedischen Stil weiter und erinnert in seinem Arrangement etwas an Spark!. Die Shouts kommen dabei gut zur Geltung und auch die akustisch wirkenden Drum-Elemente sowie der abwechslungsreich gestaltete Gesamteindruck wirken wirklich stimmig. Der Track spannt den Hörer zunächst auch einige Zeit auf die Folter, zur Hälfte hin findet man jedoch etwas besser hinein. Wirklich eigensinnig das Ganze!
Es geht weiter mit düster ambienten Flächenklängen und dem Track "Live Fast". Dieser macht es mit einer gemächlichen Anlaufphase zunächst spannend. Hier sticht vor Allem eine dicke Bassline ordentlich ins Gewicht, die Drums kommen gut, hätten aber etwas mehr in den Vordergrund gemischt werden können. Imposante Vocals inklusive verspielter Effekte versüßen den Track noch dazu gehörig. Ebenfalls eine auf eigensinnige Weise cool gestaltete Nummer!
Daraufhin setzt "Dismembered Quietly" ebenfalls ähnlich düster und atmosphärisch an und spart nicht an Sample-Effekten. Nach einer kurzen Anlauf-Phase sorgt eine bedrohliche Bassline aus dem Hintergrund kommend für eine mysteriöse Stimmung. Auch die sich gemächlich eingliedernden Drumloops regen die Spannung weiter an. In Bezug auf zusätzliche Bell-Klänge sowie weitere zischende Effekte wirkt das Ganze fast schon etwas Synth Wave-lastig, was tatsächlich etwas überrascht. Cooler atmosphärischer Filler zwischendurch.
"In That Frame Of Mind" macht mit einer schrilleren Lead-Sequenz weiter, die jedoch sofort in eine Bassline und ähnlicher Tonfolge mündet. Die Drums kommen schleppend und straight zur Geltung. Hier wird viel mit Modulation und Pitch-Effekten gespielt, jedoch wirkt die Sequenzüberlagerung äußerst stimmig und auch die düster gesprochenen Vocals integrieren sich gut in den Gesamtmix. Auch dieser Track macht zugegebenermaßen schon einiges her.
Mit treibenderen EBM-Beats legt "Building Your Back" auch gleich nach. Auch dieses Arrangement erinnert stark an schwedischen EBM in Form von Spetsnaz und treibt ordentlich an. Das machen sowohl die cool klingenden Sequenzen, die etappenweise in Erscheinung tretenden Shouts sowie die straighten Club-Beats. Tanzbar und cool, wobei er sich im Refrain streckenweise leider selbst etwas ausbremst.
Daraufhin folgt mit "Face Melt" eine eher verquere Nummer, bei der die eigensinnig minimalistischen Sequenzen zu Beginn verwirren und auch die Sawtooh-getriebene Weiterführung ihr eigenes Ding zu machen scheint. Die Drums kommen hier stark zur Geltung, dabei werden die Vocals jedoch etwas gedrückt. Das Ganze hat schon ziemliche Club-reife und macht sich bestimmt gut als Floorstomper. Eine spaßige Nummer, die ab der Hälfte schon mehr ins Harsh Electro driftet.
Das Beste kommt bekanntlich zum Schluß, so bekommt der Hörer noch mit "Add It Up" einen astreinen EBM-Track zu hören, der von Anfang an mit einer dicken EBM-Bassline in Erscheinung tritt und mit energischen Drums nach vorne treibt. Die Shouts kommen dabei klasse zur Geltung und auch der Gesamtmix wirkt äußerst stimmig. Mit dem letzten Track wird hier tatsächlich auch der Beste des gesamten Albums abgeliefert!

Fazit:
Das nordamerikanische Duo um Kreign präsentiert sich mit ihrem gleichnamigen Debut-Album äußerst experimentierfreudig. Zwar wird angegeben, dass es sich um rauhen und puren EBM handelt, jedoch driften manche Songs streckenweise auch in Industrial- & Harsh Electro-Gefilde ab. Dies mindert die Qualität dieses Gesamtwerks jedoch nicht, sondern sorgt in erster Linie für neue klangliche Ergüße. Jeder Track hält eigene Überraschungen bereit und es wird viel Abwechslungsreichtum geboten. Die EBM-Seele kommt dabei nicht zur kurz und es finden sich so einige gelungene Floorstomper für eine DJ-Playlist in diesem brachialen Album. Das Ganze klingt nicht wirklich "Oldschool" im eigentlichen Sinne, sondern nach wirklich gutem und zeitgemäßem EBM und man darf sich selbst sagen: So klingt also einer der wenigen, vielversprechenden EBM-Newcomer der 2020er. Verbesserungswürdig ist der Gesamtmix an einigen Stellen, denn hier und da gehen einige wichtige Elemente leider unter. Darüber hinaus bremsen sich manche Tracks etwas zu stark aus, da hätte man sich ruhig mehr trauen können. Alles in Allem jedoch eine runde Sache, die das EBM-Herz höher schlagen lässt!

Lieblingstrack: Add It Up

Release: 8(,5)/10

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