09.07.2020

Jihad - Retrospekt



Genre: Dark Electro
Release: 2020

Bei dem hier vorliegenden Album handelt es sich um ein wahres Comeback, auf welches viele Fans schon sehr lange gewartet haben.  Hinter dem Projekt mit dem provokanten Namen Jihad verbirgt sich die Initiative der in den USA lebenden Mendez-Brüder, welche bereits seit Mitte der 1990er Jahre als Nachfolger des legendären Dark Electro-Projekts Benestrophe gehandelt wurden. Bis auf das 1997 erschienene Album A Prayer In The Night gab es bis dato jedoch auch keine weiteren Veröffentlichungen und das Projekt schien, wie so viele aus der Zeit, in den 2000ern langsam in Vergessenheit zu geraten. Zur positiven Überraschung vieler entschied sich Mitte der 2010er James Mendez das Ganze als Solo-Projekt weiterlaufen zu lassen und bereitete in den letzten fünf Jahren einer Menge Fans durch zahlreiche Live-Auftritte  große Freude. Nun, 23 Jahre später, ist es endlich soweit und mit Retrospekt erblick endlich das lang ersehnte zweite Jihad-Album das Licht der Welt. Dieses vertreibt der Künstler unter eigener Hand und veröffentlicht zehn neue Tracks mit einer üppigen Gesamtspieldauer von knapp einer Stunde. Ob auch dieses Album die Blütezeit des Projekts wieder aufleben lässt oder gar komplett neue Klänge bereit hält, muss sich jedoch erst bewahrheiten.

Das Album startet gleich mit dem über acht Minuten längsten Titel "(I Can't) Let Go", welches sehr ambiente sphärische Melodie-Sequenzen, gemächliche Drumbeats sowie orchestrale Violin-Pads zum Besten gibt. Dies alles ist anmutig miteinander kombiniert und von vertraut stark Delay-behafteten sowie Down-gepitchten Vocals überlagert. Der Track lebt vom stetigen Wechsel unterschiedlicher Klänge, welche das Arrangement über die gesamte Spieldauer begleiten. Zum Einen werden facettenreiche Sequenzen integriert, während zischende Leads und Piano-Klänge den ambienten Eindruck weiter verstärken. Sehr verspielt und überraschend hell in seiner Klangfarbe, jedoch für den Hörer schwer erreichbar.
Mit einer gemächlichen und Bass-lastigen Sequenz setzt "Visions", zunächst relativ monoton, nach. Mit leichten Hat-Spielereien, sphärischen Pads und Piano-Melodien spannt der Track den Hörer über einen gewissen Zeitraum auf die Folter. Die Vocals erfahren hier weniger Delay-Anteil, dafür jedoch einige Distortion-Passagen, welche für Abwechslung sorgen. Zischende Leads und ein abermals verspieltes Arrangement sorgen in Anbetracht abwechslungsreicher Synth-Klänge für ein nettes und melancholisches Gesamtbild.
Mit einer Delay-behafteten Bassline sowie FM-getriggerten Layer-Sequenzen schließt "Matter Of Perspective" nahtlos an den Track an. Die Drums kommen gut und etwas aggressiver zur Geltung, was dem Gesamtbild wirklich nicht schadet. Auch die Vocals wirken kräftig und integrieren sich gekonnt in den Mix. Die Produktionsqualität dieses Songs ist sehr hoch und klanglich wirkt alles überaus harmonisch. Für eine gewisse Atmosphäre sorgen weitflächige Pads, die im Hintergrund verhallen.
"We Believe" startet daraufhin ebenfalls mit Bass-lastigen, jedoch leicht Flanger-behafteten Synth-Klängen. Diese werden von zeitlich gut angepassten Drumbeats sowie hochtönigen Lead-Synths begleitet. Hier und da schleichen sich einige experimentelle Effekte in den Gesamtmix, während die Vocals nach wie vor vertraut und verzerrt düster nach vorne preschen. Der Track hinterlässt einen sehr harmonischen Gesamteindruck!
Weiter geht es mit "The Prophecy" und äußerst sphärischen Violin-Klängen, während im Hintergrund starke Percussion-Einsätze verhallen. Mit Ansetzen mysteriöser Lead-Synths sowie imposanter FM-Sequenzen versprüht der Track den Charme alter Jihad-Tage. Auch das Mastering sowie die Vocals wirken etwas anders und hinterlassen einen deutlich düsteren und tieftönigeren Gesamteindruck. Ein sehr starker Track, der von Anfang bis Ende beflügelt.
Mit Bass-lastigen Sequenzen läutet "Twin Stranger" die zweite Halbzeit ein. Auch diese Nummer ist gewohnt gemächlich, beinhaltet jedoch einen tanzbar coolen Groove, welcher des Weiteren von zusätzlichen Leads und straighten Beatdrums verstärkt wird. Die Vocals tragen streckenweise etwas dick auf, passen sich jedoch gut ins klangliche Gesamtbild an. Eine leicht verspielte und positiv wirkende Nummer.
Etwas Oldschool 80s Flair liefert "The Patron God Of Embalmers", welcher auf dezente Bass-Synths und ineinander laufende Sequenz-Spielereien sowie atmosphärische Synth Pads basiert. Die Vocals kommen hier besonders stark zur Geltung und gehen streckenweise unter die Haut. Diese Nummer weist eine starke Dynamik auf und weiß dadurch von Anfang bis Ende gut zu überzeugen.
"Degree Of Immorality" setzt zunächst auf nachhallende Lead-Synths und des Weiteren ein klassisches Jihad-Arrangement. Dieses setzt sich aus unterschiedlichen Drum-Einlagen sowie stilbrüchigen Sequenz-Spielereien zusammen. Die Beats kommen relativ straight zur Geltung und die Vocals wirken kräftig und dunkel. Die gesamte Nummer entfaltet sich Stück für Stück über die gesamte Länge und schafft es den Hörer durch Facettenreichtum zu begeistern.
Daraufhin folgt mit "Origins" eine abermals verspielte Nummer, die aus bassigen Synth-Sequenzen, sich aufbäumenden Breakbeats und experimentellen Klangspielereien besteht. Auch diese Nummer ist schön groovig, abwechslungsreich und lässt Dark Electro-Herzen in der gewohnt dargebotenen Form bestimmt höher schlagen. Der Track kommt auch ohne Vocals aus und sorgt so für eine facettenreich inszenierte und wilkommene Abwechslung.
Den Abschluß liefert noch der gleichnamige Album-Song mit einigen lounigen Downtempo-Klängen, die aus dezenten Synth- und Drum-Spielereien besteht. Der Track wirkt relativ hell in seiner Klangfarbe und versucht wieder gekonnt und vertraut Sequenzen ineinander zu schachteln, während dicke Drums diesen nach vorne treiben. Ein nettes Schluß-Lied eines interessanten Albums.

Fazit:
Das Warten hat sich tatsächlich gelohnt und auch das zweite Jihad-Album weiß nach 23 Jahren nicht zu enttäuschen. Zugegebenermaßen ist alles etwas moderner und heller inszeniert und somit schwer mit dem Erstlingswerk zu vergleichen, doch das bringt der Zeitgeist nun mal mit sich. Darüber hinaus wirkt vieles sehr freundlich in seiner Klangfarbe und viele Song liefern ein vertrautes Gesamtbild. Restrospekt schafft es allerdings kaum Spannung über die gesamte Länge zu erzeugen und das komplette Album zieht sich wie ein seidener Faden durch. Die Songs ähneln sich in Klangfarbe und Arrangement ziemlich und sind streckenweise schwer voneinander zu unterscheiden. Nichts desto trotz ist es sehr angenehm in Szene gesetzt und überaus hervorragend produziert. Fans werden nicht enttäuscht sein.

Lieblingstrack: Matter Of Perspective

Bewertung: 8/10

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