17.09.2020

Null404 ‎– Aural Reflux


Genre: Oldschool EBM, Dark Electro, Industrial

Release: 2020

Homepage: https://www.facebook.com/null404band/

 

Der Fehler 404 dürfte jedem Internet-Nutzer bekannt sein, wenn die gesuchte Seite nicht auffindbar ist und man somit in einer Art Browser-Nirvana landet. Ob der deutsche Name Null404 des Newcomer-Projekts aus Montreal, Kanada, darauf hindeuten soll bleibt allerdings fragwürdig. Fest steht jedoch, dass bisher kaum jemand von James D. St-Louis gehört oder gelesen hat, welcher sich als Mastermind hinter diesem EBM / Industrial-Projekts entpuppt. Das Projekt selbst existiert erst seit letztem Jahr und veröffentlichte bereits ein digitales Debut-Album mit dem Titel Exploding Head Syndrom, welches allerdings wenig Beachtung fand. Der Künstler scheint jedoch motiviert zu sein, denn mit Aural Reflux wurde bereits Album Nummer zwei, ebenfalls digital, unter eigener Hand veröffentlicht. Das Album selbst weist eine schlichte Cover-Optik sowie eine klassische Länge von zehn Tracks mit einer Gesamtspieldauer von knapp über einer dreiviertel Stunde auf. Ob das Ganze hörenswert ist, muss sich jedoch noch bewahrheiten.

Es geht los mit dem Titel "Witchhunter" und knallharten Industrial-Beats sowie verqueren Percussion-Spielereien und einigen Glitch-Effekten. Nach kurzer Zeit ergänzt sich eine fortlaufende rapide EBM-Bassline hinzu und verstärkt die düstere Stimmung. Diese werden weiter geführt zu einigen verschrobenen Distortion-Sequenzen, welche tonal gut abgemischt wurden. Dunkle, leicht Vocoder-verzerrte Vocals runden das Gesamtbild weiter ab.

Weiter geht es mit atmosphärischen Wave-Pads und dem Titel "A Brand New Horror". Nach kurzer Zeit ergänzen sich klasse inszenierte Breakbeats und weitläufige Bass-Sequenzen sowie melodische Synth-Elemente hinzu. Das Ganze klingt wirklich sehr schön inszeniert und baut über weite Strecken Spannung auf. Der Tempo-Wechsel sowie das tonal abwechslungsreiche Arrangement wissen eindeutig zu gefallen und machen durchgehend Spaß. Auf diese Art erinnert die Inszenierung etwas an Project Pitchfork.

"Circadia" legt wieder mehr im Industrial-Gewand nach und liefert experimentell inszenierte Drum-Beats mit nachklingenden Bell-Elementen, die einen starken Delay-Effekt erfahren haben. Das Ganze klingt äußerst technoid und maschinell umgesetzt und sorgt auf Grund der FM-Bässe für ein leichtes Oldschool-Feeling. Die leicht verzerrten Vocals wissen sich darüber hinaus ebenfalls gelungen in den Gesamtmix zu integrieren. Sehr kreativ und abwechslungsreich.

Darauf baut "Delute" im Anschluß weiter auf, sorgt jedoch neben einigen Industrial-lastigen Effekten mit straighten und rhythmisch hervorragend inszenierten Drumbeats für einen coolen Flow. Der Gesamtmix ist relativ eigensinnig und bringt auch hier eine Menge technoide und experimentelle Effekte zur Geltung. Die Vocals kommen lang gezogen und mit ausschweifenden Gesangseinlagen darüber hinaus hervorragend zur Geltung.

Der gleichnamige Album-Track versteht sich vermehrt als verquerer Industrial-Filler, welcher in erster Linie auf experimentelle Effekte und einige Glitch-Effekte sowie Sprach-Samples setzt.

Mit "Until Dawn" wird es wiederum etwas abwechslungsreicher und melodischer als eine schnelle Bassline und straighte Drum-Beats eine klassische Oldschool EBM-Nummer inszenieren. Dafür sorgen auch noch zusätzlich die sich hervorragend eingliedernden Klangflächen sowie diesbezügich überlagernden Synth-Sequenzen. Auch die Vocals kommen extrem gut zur Geltung und der Gesamtmix gibt einem das Gefühl einen waschechten Track aus den 1980ern zu hören, der an Front Line Assembly zu jener Zeit erinnert.

Mit ruhigen Samples und düsteren Effekten legt "The River" als der längste Track auf diesem Album nach. Die Drumbeats kommen extrem verschroben zur Geltung und spannen den Hörer zunächst auf die Folter. Eine klassische Acid-Bassline sowie ein straighter Bassdrum-Snare-Wechsel lassen das Oldschool-Herz jedoch wieder höher schlagen. Diese eher puristische Nummer weiß auf Grund seines kreativ und abwechslungsreich inszenierten Stilwechsels durchgängig zu gefallen und läd zum dahin schwelgen ein.

"20xx" beginnt wiederum erneut Industrial-lastig und beinhaltet sogar einige martialische Drum-Elemente. Die minimalistische Inszenierung sowie die klanglich krachigen Einlagen sorgen für ein abwechslungsreiches Arrangement und ein Dauerfeuer verschiedener Stilistiken. So treibt der Song die Spannung weiter an und mündet in eine eigensinnige Lead-Sequenz mit dunkel gesprochenen Vocals. Interessant und irgendwie cool das Ganze.

Der darauf folgende "Blindspots" beginnt sehr Rhythm'n Noise-lastig und sorgt dafür, dass man zunächst nicht wirklich schlau aus dem Dargebotenen wird.  Nach einiger Zeit bekommt das Ganze allerdings mehr Struktur, auch wenn das Mixing etwas besser ausfallen könnte. Die verzerrten Vocals kommen gut und Gitarren-artige Sample-Einlagen sowie technoide Sequenzen werden hinzu ergänzt. Allerdings ist die gesamte Nummer auf Dauer leider etwas anstrengend.

Zuletzt gibt es noch einen unbetitelten Song der so ansetzt, wie das Album angefangen hat und nochmal die komplette Industrial-Spannweite des Künstlers ausfährt sowie einige imposante, düstere Pad-Elemente im Hintergrund verklingen lässt. Das Ganze hat jedoch auf diese Weise etwas Demo-Qualität und lässt Abwechslungsreichtum vermissen.

 

Fazit:

Das Projekt mit dem Namen Null404 ist auf jeden Fall etwas, was man vor Auge haben sollte. James D. St-Louis braucht sich überhaupt nicht hinter großen Vorbildern verstecken und liefert hier einen coolen Mix aus Oldschool EBM, Industrial & Dark Electro ab, welches mit allen Wassern gewaschen ist. Aural Reflux ist ein wirklich schön inszeniertes Album, welches eine abwechslungsreiche Klanggestaltung beinhaltet und viele Stilrichtungen des elektronischen Untergrunds abdeckt. Zudem kommt, dass der Künstler es tatsächlich geschafft hat den alten Stil gelungen abzubilden und in die heutige Zeit zu verfrachten. Hier und da sind manche Tracks etwas schwer zu ertragen, da der Experimentierwille ein wenig zu viel des Guten ist. Nichts desto trotz ist es eine überaus positiv überraschende Auslieferung eines vielversprechenden Newcomer-Projekts.

 

Lieblingstrack: A Brand New Horror

 

Bewertung: 8(,5)/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen