Genre: Dark Electro, Industrial, Synth Wave
Release: 2020
Homepage: https://www.facebook.com/tc75.music
Tino Claus ist ein wahres Naturtalent der dunklen Electro-Künste. Im Laufe des letzten Jahrzehnts konnte er bereits durch sein Hauptprojekt Amnistia sowie mit MRDTC mehrfach auf Grund eines starken Auftretens sowie tiefgründige Texte von kräftig, dunklen Vocals umhüllt Eindruck schinden. Doch auch sein Solo-Projekt mit dem schlichten Namen TC75 sollte keineswegs vernachlässigt werden. Vor knapp vier Jahren enstanden sind bereits mehrere EPs sowie einige Alben erschienen. Der unermüdliche Künstler und Sympathisant veröffentlichte nun jüngst mit Popmusesick sein neuestes Werk abermals beim renomierten russischen Label Razgrom Records. Dieses beinhaltet elf neue Tracks mit einer Gesamtspieldauer von knapp über fünfzig Minuten, wobei zu berücksichtigen ist, dass der letzte und längste Song des Albums über zwanzig Minuten dauert. Ein ähnliches Verhalten wurde bereits auf dem letzten Album Tension an den Tag gelegt. Zeit das Ganze mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Es geht los mit "In The Long Run We Are All Dead" und einigen glitchigen Effekten, während Industrial-lastige Beats den Rhythmus bestimmen. Das Ganze erinnert in seiner Aufmachung an Künstler wie Dive und sorgt für eine mechanisch beklemmende Stimmung. Die Vocals kommen im Effekt-behafteten Wechselspiel und wiederholen inhaltlich den Songtitel. Ein spannungsmachendes Intro.
Weiter geht es mit "Desire" und einigen nachhallenden Lead-Synths, während eine Synth Wave-lastige Bassline im Hintergrund das Ambiente abrundet. Die Vocals haben innerhalb der Strophen einen leicht nasalen Megaphon-Effekt erfahren, während der Refrain vermehrt auf Hall-Elemente setzt. Das Arrangement baut sich stückweise aus verschiedenen Facetten auf, wobei die Drums dabei leider etwas dünn besetzt sind.
Mit spacigen Synth-Elementen macht daraufhin "What You Don't Know" weiter. Kurz darauf setzen martialische Drums und langatmige Pads an, während ein Beat sich langsam nach vorne schleicht. Gesanglich ergänzt sich das Ganze entsprechend der Tonlage und stagniert dabei auf einer Ebene. Der Track spannt den Hörer über die gesamte Länge etwas auf die Folter und man wartet vergeblich darauf, dass das Arrangement zu einem weiteren Schlag ausholt.
Mit "Swear To God" wird es düster und bedrohlich technoid, als eine FM Synth-Sequenz dabei den Ton angibt, während Drumbeats und Percussion-Spielereien das Ganze abrunden. Zudem zischen hier unterschiedliche Elemente quer und runden so den Track besonders ab. Besonders positiv fällt dabei die einsetzende Dynamik innerhalb der Vocals auf, die mal kräftiger mal ruhiger in Erscheinung treten. Eine starke und eingängige Nummer.
"Heart Thief" knüpft direkt darauf an und liefert einen leichten EBM-Touch in Anbetracht der rapiden Bassline und den straighten Breakbeats. Zudem kommen noch einige verspielte Leads und atmosphärische Pads zur Geltung, die das Klangbild besonders abrunden. Die Vocals verhallen dabei leicht im Hintergrund und sorgen mit starken Lyrics für ein abgerundetes Klangbild. Ebenfalls eine wirklich sehr schön inszenierte Nummer.
Mit "Back In The Place" gibt es einen erneut eher Industrial-lastigeren Track, der auf maschinelle Synth-Sequenzen und einfach gestrickte Drumbeats setzt. Diese sind allerdings klanglich relativ dünn, so dass vor allem die Snare hier etwas "snap" vermissen lässt. Die Vocals drängen sich in den Vordergrund und werden leicht gerapped vorgetragen. Die Nummer macht es dem Hörer jedoch alles in allem etwas schwer Zugang zu finden.
Synth Wave-lastiger wird es hier daraufhin mit "Then Came The Rain", bei dem vor allem ein starke Bassline und langflächen Klangflächen das Klangbild bestimmen. Die Vocals erfahren hier ein imposantes Wechselspiel, wobei die Strophen-Abschnitte etwas voluminöser ausfallen hätten können. Musikalisch und melodiös ist dieser Track jedoch sehr schön anzuhören und umhüllt den Hörer in seiner vollen Länge mit Melancholie.
"Save Face" wiederum ist eine clubbig tanzbare Nummer, die auf eingängige Synth-Sequenzen sowie schnelle Breakbeats setzt, die stark zur Geltung kommen. Die Vocals werden hierbei durch einen Megaphon-Effekt in den Hochpass-Bereich gedrückt, während sie sich durch einen Chorus im Refrain wiederum aufbäumen. Hier setzen zusätzlich einige Lead-Synths an und musikalisch erinnert das Ganze streckenweise an Proleturan. Ein wirklich interessanter Ansatz und stilvoll umgesetzter Song.
Daraufhin legt "Rooms" mit einem weiteren, clubbigen Track und Delay-behafteten Vocal-Effekten nach, welche sich stark ins Gesamtbild ergänzen. Der Song hat einen coolen Groove und überrascht durch abwechslungsreich inszenierte Synth-Elemente sowie einige Synth Pop-artige Einlagen. Ein cooler Track, der so ganz anders klingt als die übrigen Album-Songs.
Als nächstes folgt mit "Pressure" eine düstere und experimentelle Nummer, die auf ein verspieltes Arrangement setzt und mysteriös klingende Pad-Elemente mit preschenden Beats kombiniert. Kräftige Vocals ergänzen sich passend in den Gesamtmix hinzu und sorgen so dafür, dass diese stark inszenierte Electro-Nummer stark ins Ohr geht. Ein überaus raffinierter Track!
Mit dem, wie Eingangs angekündigt, längsten Album-Track "Obituary" wird das Album zu Ende geführt. Diese Nummer beginnt sehr schleichend und sorgt nach einer langen Stille durch einige Sprach Samples und sich aufbäumende Pads für eine großen Spannungsbogen. Nach einiger Zeit ergänzen sich noch einige melodiöse Sequenzen hinzu sowie dezente Schläge und einige Glitch-Effekte. Zusätzliche Samples und experimentelle Spielereien bestimmen diese überlange Nummer.
Fazit:
Tausendsassa Tino Claus schafft es auch mit dem neuesten Werk seines Solo-Projekts TC75 zu gefallen und vor allem zu überraschen. Mit Popmusesick hat der Künstler ein sehr abwechslungsreiches Album geschaffen, welches eine Menge Stilistiken kombiniert und dem Hörer präsentiert mit denen man in der dargebotenen Form nicht direkt gerechnet hätte. Hier finden sich sowohl Dark Electro-, Industrial- & Synth Wave-Elemente, welche in einer wirklich experimentierfreudigen Form vorgetragen sind und bei dem der Künstler seine ganze Expertise an den Tag legt. Auch die variationsreichen Vocal-Stilistiken wissen zu gefallen. Kritik lässt sich höchstens hier und da etwas am Gesamtmix, vor allem mit Bezug auf die Drums festmachen, welche leider streckenweise zu dünn kommen. Darüber hinaus wissen ein paar wenige Songs nicht so schnell zu zünden. Doch alles in allem ist es ein wirklich großartiges Album, was jedem Electro-begeisterten Hörer nur ans Herz gelegt werden kann.
Lieblingstrack: Heart Thief
Bewertung: 8(,5)/10
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